Haltung
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Ich bin kein Verhätschler, ich hab ein Weicheipferd

Wir sind grade mit zwei Pferden im Urlaub an der Nordsee. Für fast 5 Wochen haben wir sie mit nach Sylt genommen und genießen hier das Klima und die Ritte am Strand.
Die Pferde sind auf einer Weide direkt hinterm Haus untergebracht, leider ohne Wetterschutz aber wir haben ja Sommer und sie sind das draußen leben gewohnt und es sind ja Pferde, die sind nicht aus Zucker, nicht wahr?! Zuhause wohnen sie in einem Offenstall mit täglichem Weidegang, im Urlaub genießen sie 24/7 grün unter den Hufen, schließlich sollen sie auch was vom Urlaub haben. So zumindest der Plan.

Bei Sachen packen habe ich darauf bestanden, die Regendecken einzupacken, schließlich ist Sylt nicht unbedingt für stabiles Sommerwetter bekannt und es kann dort auch im August ganz schön ungemütlich werden. Meine Mutter schaute mich nur augenrollend an: „Du willst die Pferde im August eindecken!? Die haben doch Fell!“

Gute 3 Wochen hatten wir dann erstmal herrlichstes Sommerwetter mit heißen Tagen und lauen Nächten. Dank eines immer leicht wehenden Windes und der sehr frei liegenden Weide war es dort für die Pferde aber trotz nicht vorhandenen Schattens gut auszuhalten und die Regendecken im Hänger fast vergessen. Ein Pferd im August einzudecken erschien mir nun auch wirklich abwägig…

Letzte Woche fegte dann aber für 4 Tage ein fieses Sturmtief über die Insel. Nachts kamen die ersten Gewitter mit Starkregen und Sturmböen. Beim Rauschen des prasselnden Regens, der mich Nachts weckte, galt mein erster Gedanke natürlich sofort den armen Pferden, die sich nicht unterstellen konnten und nun wahrscheinlich völlig durchnässt waren. Aber es war noch echt warm und die Temperaturen auch Nachts kaum unter 20 grad. Und so ein bisschen Regen macht den Pferden doch auch nichts aus, sie sind ja nicht aus Zucker, nicht wahr?
Es regnete bis zum Mittag so stark, dass nicht mal der Hund vor die Tür wollte und ich den Besuch bei den Pferden auf der Weide auf den Moment verschob, wo der Regen kurz nachließ, den Wassertrog würde ich schließlich nicht kontrollieren müssen und dass sie noch Heu hatten, konnte ich aus dem Fenster sehen.

Als ich dann Mittags zu den beiden auf die Wiese ging um ihnen etwas Kraftfutter zu bringen, kamen sie tropfend und durchweicht ans Tor getrabt. Und der Zausel zitternd. Obwohl es von den Temperaturen her nicht kalt war, hatte der starke Wind den beiden ganz schön zugesetzt. Der Zausel bibberte wie verrückt, die großen Muskelstränge in Schulter und Kruppe zuckten als stünde er unter Strom.
Mein schlechtes Gewissen könnt ihr euch wahrscheinlich vorstellen, während ich gemütlich drinnen Kaffee getrunken und das Unwetter durchs Fenster betrachtet hatte, schlotterten die armen Pferde seit Stunden im Unwetter.

Ich habe also schnell die Regendecken aus dem Hänger geholt und beide eingedeckt, eine halbe Stunde später hatte das zittern aufgehört und sie fingen an unter den Decken zu trocknen, obwohl es wieder wie aus kübeln goss.
Ich denke, dass vor allem der Wind in Kombination mit der Nässe zu der starken Auskühlung geführt hat und man diesen leicht unterschätzt.

Bei aller Bemühung die Pferde artgerecht zu halten und sie nicht zu verhätscheln sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass sie eben doch keine Robustponies sind. Und auch, dass jedes Pferd ein anderes Kälteempfinden hat. Während Sam der Regen offenkundig nichts anhaben konnte, war es für den Zausel einfach viel zu kalt (Männer… )
Der Sturm ist vorüber gezogen, aber die Temperaturen haben sich deutlich abgekühlt. Solange die Sonne scheint stehen beide ohne Decke, den Zausel decke ich im Moment auch schon an bewölkten Tagen ein, weil er dann gleich das Fell aufstellt und da offensichtlich einfach empfindlich ist. Obwohl mir ja diese verpimpelten und bis über die Ohren in Watte gepackten Pferde zuwider sind, trägt mein kleines Weichei also Mitte August eine Decke, weil er sonst friert.
Wer mich jetzt also ständig den Esel ein- und ausdecken sieht, hält mich wahrscheinlich für einen ganz schlimmen Verhätschler, das bin ich aber gar nicht! Ich hab nur so ein Weicheipferd. Ehrlich!

Kategorie: Haltung

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29 Jahre alt, aus Hamburg, Reiterin und Fotografin mit Hannoveranerwallach Zausel und Oldenburger Stute Sam Instagram @zauselundseinefrau

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