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Konsequenter Umgang – Teil 1: Sozialverhalten

Wir haben zum Verladeartikel (http://t1p.de/5qrh) einige Fragen dazu erhalten, was und wie nun konkret zum Erfolg geführt hat. Da das ein längerer Prozess war, haben wir uns dazu entschieden, eine Serie zum Thema „Konsequenter Umgang mit dem Pferd“ zu verfassen. Zum Einstieg geht es in diesem Artikel um das Miteinander unserer Pferde und darum, wodurch ihre Lebensweise bestimmt ist.

Pferde sind Herdentiere. Das Leben in der Gruppe sichert wild lebenden Tieren das Überleben. In einer natürlichen Umgebung voller Fressfeinde bietet die Herde dem einzelnen Pferd Schutz und Sicherheit. Abwechselnd wird die Umgebung von einzelnen Tieren überwacht, während die anderen grasen oder sich ausruhen.

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Zur Verteidigung bleiben Pferden nur ihre Zähne und Hufe, gegen Raubtiere sind sie also weitestgehend unbewaffnet. Zum schnellen, ausdauernden Laufen geboren, ergreifen Pferde in Gefahrensituationen lieber die Flucht, als auf eine Konfrontation einzugehen. Dabei ist es überlebenswichtig, dicht beisammen zu bleiben und gemeinsam zu fliehen. Von der Herde separierte Tiere sind leichte Beute, Familienmitglieder können bei einer wilden Flucht verloren gehen und von anderen Hengsten gestohlen werden. Um dies zu vermeiden, ist eine gute Kommunikation zwischen den einzelnen Tieren und eine ausgeprägte Sozialstruktur nötig. Rangniedrige Pferde bringen ihren ranghöheren Artgenossen blindes Vertrauen und Respekt entgegen, die ranghohen Tiere erwarten bedingungslose Folgsamkeit. Zur Kommunikation verwenden Pferde fast ausschließlich Körpersprache. Lautsprache wäre für ein Beutetier zu auffällig und kommt nur im Ausnahmefall zum Einsatz.

Auch wenn unsere Hauspferde nicht mehr von Fressfeinden bedroht werden und eher selten in ausgeprägten Herdenverbänden mit Leitstuten und Hengsten leben, haben sie noch viel mit ihren wild lebenden Artgenossen gemeinsam. Beobachtet man Pferde mal einige Stunden miteinander auf der Weide oder sieht beim erstmaligen Aufeinandertreffen sich unbekannter Pferde zu, kann man sich schon ein recht gutes Bild von der Kommunikation zwischen den Tieren machen.

Treffen zwei fremde Pferde aufeinander, beschnuppern diese sich intensiv Nase an Nase. Diese Situation dauert manchmal einige Sekunden – bis das rangniedrige Tier die Situation auflöst, indem es sich abwendet. Oft wird es vom dominanteren Pferd durch das typische quietschen und weitere Drohgebärden dazu animiert. Oft ist die Rangfolge zwischen diesen beiden Tieren damit schon klar.

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In Fluchtsituationen lässt sich beobachten, dass die rangniedrigen Tiere den ranghohen folgen, nur selten zerstreut sich die Herde in einem Schreckmoment in verschiedene Richtungen. Die Gruppe vertraut der Entscheidungskompetenz des Leittieres.

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Futter und Wasser oder ein schattiger Platz auf der Weide stehen dem Leittier grundsätzlich zuerst zu und diesen Anspruch setzt es in der Regel auch konsequent durch. Meistens kann man beobachten, dass die rangniedrigen Tiere von allein weichen, wenn ein ranghohes Tier auf sie zu kommt. Tun sie das nicht, verfügt das ranghohe Tier über eine ganze Bandbreite von Aggressionszeichen bis hin zum körperlichen Angriff. Dabei wird man nur sehr selten beobachten können, dass ein Pferd direkt zum körperlichen Angriff übergeht, wenn es darum geht, einen Artgenossen in die Schranken zu weisen. Vielmehr kann man beobachten, wie das Pferd sanft mit dem Kopf in die Richtung des anderen deutet, zur Verdeutlichung des Anliegens die Ohren anlegt, eventuell Zähne zeigt oder auch mal in den Hals des anderen zwickt. In der Regel reichen diese harmlosen Gesten aus, nur selten kommt es bei Auseinandersetzungen tatsächlich zum Kampf. Pferde wissen so immer, was sie von ihrem Gegenüber zu erwarten haben. Folgen sie einer sanften Aufforderung nicht, riskieren sie härtere Maßnahmen, nie jedoch würde ein Pferd sofort und unangekündigt die körperliche Konfrontation suchen.

Den ranghohen Tieren vertrauen zu können, ist für die Herde elementar. Deshalb werden die Leittiere beim kleinsten Anzeichen von Schwäche oder mangelnder Führungskompetenz auf die Probe gestellt, die Rangordnung wird regelmäßig durch Rangkämpfe überprüft und neu geordnet. Das kann man oft beobachten, wenn junge Hengste in der Herde ihre Kräfte miteinander trainieren und dann versuchen, sich mit den Leittieren zu messen.

Trotz aller Hierarchie und Strenge im Familienverband der Pferde, sind sie sehr soziale Tiere, die sich auch mal gegenseitig bei der Fellpflege behilflich sind. Das kann man auch zwischen stark verschieden hoch im Rang stehenden Tieren beobachten. Dabei kann man allerdings erkennen, dass das rangniedrige Tier niemals ungefragt in den persönlichen Bereich des ranghöheren eindringen würde. Die Einladung erfolgt immer durch das ranghohe Pferd.

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Da Pferde stark von ihren Instinkten getrieben sind, sind ihre Verhaltensweisen diesbezüglich und somit auch dem Menschen gegenüber kaum zu verändern. Das ist auch gar nicht nötig – viele Dinge im Umgang müssen nicht die Pferde lernen, sondern wir. Achten wir auf unsere Körpersprache und setzen diese gezielt ein, lässt sich gewohntes Sozialverhalten beim Pferd abrufen, was wir uns im Umgang mit dem Tier zunutze machen können.

Schlüsselelemente sind hierbei die Bereitschaft des Pferdes, einem ranghohen Tier zu folgen, auf Druck durch ein ranghohes Tier durch weichen zu reagieren, der persönliche Bereich eines jeden Tieres und die Bereitschaft, die Rangfolge zu hinterfragen und neu zu ordnen.

Wie wir uns diese Grundprinzipien im Zusammenleben unserer Pferde im Alltag zunutze machen können, könnt ihr dann im nächsten Teil lesen.

Kategorie: Umgang

von

Foto- und pferdebegeisterte Studentin, 24 Jahre alt, aus Dresden, mit den beiden Wallachen Schimmel und Lance.

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