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Wollen Pferde eine Decke tragen?

Der Winter steht vor der Tür und man kommt als Pferdebesitzer um dieses Thema einfach nicht drum rum: Eindecken oder nicht? Friert das Pferd bei nasskaltem Wetter oder haben wir doch noch echte Naturburschen im Stall stehen, die sich ohne Decke doch am wohlsten fühlen?

Im aktuellen St. Georg-Magazin von November 2014 ist ein sehr interessanter Artikel zu dem Thema, der meiner Meinung nach wirklich wichtige Erkenntnisse zum Thema Wohlbefinden unserer Pferde liefern kann und das nicht nur in Bezug auf das Thema Eindecken.

SONY DSCEine Forschergruppe rund um die Norwegerin Cecilie Mejdell hat eine Studie entwickelt, bei der Pferden mit Hilfe von Symbolplatten ermöglicht wird, mit dem Menschen zu kommunizieren und ihm seine Vorlieben mitzuteilen. Die teilnehmenden Pferde unterschiedlichster Rassen und Altersklassen lernten in mehreren Trainingseinheiten die Bedeutung von drei verschiedenen Symbolplatten kennen. Erfahrene Tiertrainer haben so drei verschiedene Symbole für die Handlung „Decke anziehen“, „Decke ausziehen“ und „kein Deckenwechsel“ bei den Pferden etabliert. Auf den weißen Schildern war jeweils ein dicker Längsbalken, ein dicker Querbalken und kein Symbol abgebildet. Die Pferde konnten die Schilder so gut auseinander halten und haben gelernt, dass nach deutlichem Kontakt mit der Nase an einem der Schilder eine Aktion mit der Decke folgte. Je nach Schild eben „Decke ausziehen“, „Decke anziehen“ oder „kein Deckenwechsel“. Hatten die Pferde im ersten Trainingsschritt die verschiedenen Symbole eindeutig mit der dazugehörigen Handlung verbunden, wurde ihnen im nächsten Schritt eine Wahl ermöglicht. Dazu wurden  sie nach kurzer Eingewöhnung und Akklimatisierung im Paddock mit den Symbolen aufgefordert, auszuwählen, ob sie eine Decke tragen möchten oder nicht. Mit ihrer Wahl mussten die Pferde dann die gesamte Dauer ihres Paddockfreiganges leben, ein späteres Tauschen der Decke war nicht mehr möglich. Die Pferde lernen so auch die Konsequenzen ihrer Wahl kennen.

101221__Reindeer_19Erstaunlicherweise ist es jedem der 23 teilnehmenden Pferde gelungen, die komplexe Transferleistung der Auswahl zwischen drei verschiedenen Optionen zu leisten. Das Erlernen der einzelnen Trainingsschritte dauerte zwar bei dem ein oder anderen etwas länger, schließlich waren aber alle Pferde in der Lage ihre persönliche Präferenz bezüglich der Kleiderwahl mit dem Menschen anhand der Symboltafeln zu kommunizieren.

Das Ergebnis des Projektes war, dass die Vorlieben je nach Pferd sehr stark variieren können und das Kälteempfinden offensichtlich sehr unterschiedlich ist. Bei nasskaltem Wetter oder sehr kalten Temperaturen im zweistelligen Minusbereich haben sich die meisten Pferde für eine Decke entschieden. Die teilnehmenden Kaltblüter wollten öfter ohne Decke stehen als ihre warmblütigen Kollegen. Eine pauschale Aussage über das Eindecken von Pferden konnten die Wissenschaftler auf Grund der sehr unterschiedlichen Präferenzen jedes einzelnen Pferdes nicht ableiten. Die meisten Pferde entschiedenen sich aber überwiegend ohne eine Decke den Freigang zu genießen. Leider fehlt die Information, ob die Pferde geschoren oder ungeschoren an dem Projekt teilgenommen haben.

Viel interessanter als die Erkenntnis, dass die meisten Pferde, wenn sie die Wahl haben, nur bei nasskaltem Wetter oder wirklich strengem Frost eine Decke tragen wollen, finde ich die Tatsache, dass Pferde über Symbole mit dem Menschen kommunizieren können und ihre Vorlieben mitteilen können. Wie oft habe ich schon vor dem Zausel gestanden und ihm mit einem tiefen Blick in die Augen zugeflüstert „Wenn du mir doch bloß sagen könntest, was du möchtest“. Und da bin ich bestimmt nicht die einzige Pferdebesitzerin, die ihrem Pferd den ein oder anderen Wunsch quasi an den Ohren versucht abzulesen. Bisher nur leider ohne wirklichen Erfolg.110305_Doc_Weide_17

Was das Forscherteam aus Norwegen mit ihrer Studie geleistet hat, bringt die Pferdewelt bezüglich der Vorlieben und Präferenzen der Pferde sicherlich in einigen Punkten weiter und wird hoffentlich dazu genutzt, die tatsächlichen Wünsche der Tiere in Bezug auf Haltung, Training und Pflege in Zukunft zu erforschen und dann auch in der Praxis zu berücksichtigen. Vielleicht ist grade die Erkenntnis, dass sich pauschale Aussagen in Punkto Befindlichkeiten und Vorlieben nicht treffen lassen und jedes Pferd seine ganz eigenen Vorlieben und Bedürfnisse hat, die wichtigste Erkenntnis, die wir im Umgang mit unseren Pferden, aber auch Tieren im Allgemeinen, gewinnen können.

Die Vorstellung, das Tiere mittels einer Wahloption mit uns so konkrete Dinge wie „Decke anziehen“ oder „Decke ausziehen“ kommunizieren können, finde ich auf jeden Fall eine wirklich spannende Entwicklung in der Beziehung zwischen Mensch und Tier und hoffe, dass zukünftig immer mehr wissenschaftliche Forschungen belegen und unterstützen, dass Tiere genauso fühlende Individuen mit persönlichen Vorlieben und Abneigungen sind, wie wir Menschen auch.

Wer den Artikel über die Forschungsgruppe noch mal genauer nachlesen möchte, kann dies in der aktuell erhältlichen Ausgabe der St. Georg von November 2014 tun.

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