Doc
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Zausels Jahr 2011

Es ist mal wieder Zeit für einen weiteren Jahresrückblick des Zausels und ich kann euch schon mal vorwarnen: 2011 war nicht unbedingt unser bestes Jahr. Im Nachhinein bin ich geradezu etwas erschrocken, wie schlecht 2011 eigentlich war, aber fangen wir von vorne an.

Angelaufene Backen und Gamaschen

Angelaufene Backen und Ganaschen

Das Halfter drückt ein und hinterlässt richtige Abdrücke

Das Halfter drückt ein und hinterlässt richtige Abdrücke

Kurz vorm Jahreswechsel gelang es dem Zauselchen, sich irgendwie die Lippe aufzureißen. Natürlich musste das an einem Sonntag Nachmittag bei Eiseskälte passieren und ich hatte meine liebe Mühe, einen Tierarzt zu organisieren. Die Verletzung war nicht besonders dramatisch, musste aber genäht, der Zausel im Zuge dessen sediert und vorher abgehört werden. Dabei fiel der Tierärztin ein Herzgeräusch auf, welches sie für höchst bedenklich hielt. Parallel zur aufgerissenen Lippe hatte der Zausel auch einen seltsam angelaufenen Kopf, Backen und Ganaschen waren deutlich verdickt und das Halfter schnitt richtig ein. Die Tierärztin brachte diese Wassereinlagerungen mit dem Herzgeräusch in Verbindung und riet mir, das Pferd umgehend in einer Klinik vorzustellen und einen Herzultraschall durchzuführen. Andernfalls könne man nicht das Risiko eingehen, das Pferd zu reiten, da bei einem solch starken Herzgeräusch auch mit einem plötzlichen Zusammenklappen unter Belastung gerechnet werden müsse.

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Dass Doc ein leichtes Herzgeräusch hatte, war uns bekannt – dies wurde bereits in Hannover untersucht und als unbedenklich eingestuft. Da sich so ein Befund aber durchaus auch verändern kann, waren wir natürlich in Alarmbereitschaft. Leider hatten wir wirklich tiefsten Winter mit Eis und Schnee. Eine Fahrt in die Klinik gestaltete sich daher als ziemlich schwierig. Der Zausel bekam also erstmal reitfrei und wurde nur leicht an der Longe bewegt.

In dieser Zeit zeigte er sich sehr sehr schlecht an der Longe, war unglaublich matt und lurig, kaum zum Vorwärtsgehen zu bewegen, sein ganzes Bewegungsbild hat sich extrem verschlechtert und er lief phasenweise wirklich so schlecht, dass wir dachten, er kann  nur noch als Salami Karriere machen.

Es folgte dann eine kleine Odyssee an Klinikbesuchen, in denen sich stets das gleiche Muster abzeichnete: In der Klinik war das Pferd das blühende Leben, lief fröhlich Runde um Runde und machte so gar keinen kranken Eindruck. Zuhause bekam er dann wirklich keinen Fuß vor den anderen, war nur unter massivem Peitscheneinsatz überhaupt in Bewegung zu bekommen und machte mir viel Kummer und Sorgen. Das Herz zeigte sich unverändert, zwar mit leichtem Mitralklappenfehler, aber unter Belastung unauffällig. Die Lunge machte für einen chronischen Huster einen super Eindruck und war für seine Verhältnisse absolut unauffällig. Seine Blutgassättigung lag bei 100 % und auch Beugeprobe und Lahmheitsuntersuchung blieben komplett ohne Befund. Weil er aber zu Hause weiterhin so dramatisch schlecht lief, wurde er ein weiteres Mal in der Klinik durchgecheckt, der Rücken geröntgt, der Magen gespiegelt, das Blut auf mehrere Krankheiten (Borreliose, Herpes, Cushing, EMS) untersucht, alles blieb ohne Befund.

So verging der Winter mit viel Kummer, wilden Spekulationen, was dem Zausel fehlen könnte, hohen Tierarztrechnungen und schließlich der Erkenntnis, dass das Pferd klinisch gesund war.

Das Frühjahr nutzten wir dann, um Doc ohne allzu große Rücksicht auf seine Befindlichkeiten im Gelände anzutrainieren, die Kondition zu steigern, den Kreislauf in Gang zu bringen und vielleicht so wieder etwas Leben und Bewegungsfreude in das Pferd zu bekommen. Auch wenn der Zausel uns dies nicht gerade leicht machte, weil er die ersten Wochen täglich an die dutzend Male im Gelände umdrehte und die Flucht ergriff, stellte sich langsam, aber sicher eine leichte Besserung ein.

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Rasurstelle im Fell für den Herzultraschall

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Im März bereits vereinzelt gute Tage

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Über den Winter hatte er ganz schön abgebaut und startete so recht schmal in die Weidesaison. Wir tauschten den baumlosen Westernsattel gegen einen Dressursattel und begannen langsam auch wieder, ihn auf dem Platz zu arbeiten. Er hatte gute und schlechte Tage, richtige Sternstunden und dann wieder deutliche Einbrüche, aber über einen längeren Zeitraum betrachtet machte er Fortschritte, nahm wieder zu, seine Kondition steigerte sich und die Bewegungsfreude kehrte zurück.

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Im Mai dann besuchte  mich Yvi zum Fotos machen. Da sah er schon wieder richtig gut aus, ließ sich zum Toben und Rennen animieren und zeigte sich generell ganz anders als noch im Winter.

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Ich ritt ein paar mal Unterricht bei einer lieben Freundin, die extra zu uns gekommen war. Langsam kam der Zausel tatsächlich in Schwung.

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Weil sich das Maigrün so herrlich für Fotos anbot, kam Yvi gleich noch ein zweites Mal. Die Bilder zeigen natürlich keinen großen Unterschied, aber weil sie so schön sind, möchte ich sie euch trotzdem zeigen.

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Weil er sich auch auf dem Viereck gut entwickelte, wurde Doc wieder eine anständige Frisur verpasst und so sollte aus dem Weidezausel langsam wieder ein Dressurpferd werden. Aus irgendeinem Grund sträubt er sich allerdings immer wieder erfolgreich dagegen, entsprechend seines ursprünglichen Verwendungszweckes genutzt zu werden und wusste sich auch diesmal geschickt aus der Affäre zu ziehen…

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Über den Sommer wurde er dann vom Schmaltier zur richtigen Wuchtbrumme – das Gras schmeckte wohl einfach zu gut. So dick wie in diesem Sommer war er bisher nie wieder und er gefällt mir auf den Bildern richtig gut, weil er endlich mal richtig rund und gesund aussieht. Sonst ist er immer so an der Grenze zu „etwas mager“ und tut sich sehr schwer damit, mal ein bisschen was anzusetzen und Muskulatur aufzubauen.
Während der Zausel also fleißig Tag und Nacht das Gras in sich hineinschaufelte, hatten wir mit ständigen Unpässlichkeiten zu kämpfen. Der gekaufte Sattel passte doch nicht, er hatte plötzlich 4 Schlundverstopfungen in Folge, woraufhin mal wieder ein Besuch in der Klinik folgte, der wieder mal ohne Befund endete. Die Schlundverstopfungen verschwanden zum Glück genau so schnell, wie sie gekommen waren – dafür riss er sich ein Eisen so unglücklich ab, dass der halbe Huf zerstört war. Kurz darauf folgte eine Lahmheit, die auf Grund seiner neuerlich erworbenen Leibesfülle gleich zu einem Reheverdacht führte, zum Glück aber nur eine Lederhautentzündung war. Wir überbrückten die Zeit mit ein bisschen Juxen auf der Weide und dem Grasplatz, sofern es denn Füße und Eisen zuließen.

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Außerdem machte Yvi eins meiner absoluten Lieblingsbilder vom Zausel, welches hier natürlich auch nicht fehlen darf:

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Obwohl der Zausel zum Herbst hin seine vielen Wehwehchen weitestgehend überwunden hatte, kamen wir nur schleppend wieder zum Reiten, weil sich die Nutzung der Anlage gegenüber als immer schwieriger gestaltete. Immer neue Einschränkungen, Verbote und Tyranneien verdarben mir leider ziemlich den Reitspaß. Ich fühlte mich dort extrem unwohl und versuchte mich, so weit es ging, unsichtbar zu machen. Leider brachte der beginnende Winter aber auch immer kürzere Tage und ich konnte nicht einmal mehr aufs Gelände ausweichen. Wir suchten recht verzweifelt nach anderen Alternativen, um den Zausel unterzustellen, fanden aber leider nichts Geeignetes. Und so starteten wir recht gesund in den Winter 2011/2012, kamen aber trotzdem nicht so wirklich zum Reiten.

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Das Jahr 2011 hat mich wirklich unglaublich viele Nerven gekostet und war von viel Kummer und Sorgen geprägt. Oft habe ich mich komplett überfordert gefühlt, unsere Situation als ziemlich aussichtslos empfunden und immer wieder hilflos vor dem kränkelnden Pferd gestanden, für das sich einfach keine Diagnose finden lassen wollte. Weil wir schulmedizinisch einfach zu keinem Ergebnis kamen, haben wir ab Mitte des Jahres begonnen, ihn alternativ zu behandeln. Ich hatte das Gefühl, dass sich endlich etwas tat, ihm vor allem die Akupunktur wirklich geholfen hat. Wichtiger war wohl aber im Nachhinein auch der psychologische Aspekt: Ich fühlte mich endlich ernst genommen! Zusammen mit seiner Tierheilpraktikerin haben wir einen Behandlungsplan erstellt, von Behandlung zu Behandlung gesteigert und ich hatte endlich das Gefühl, etwas unternehmen zu können, was ihm hilft.

Da er im Gelände leider nicht besonders verlässlich war, habe ich auch unter den schwierigen Reitbedingungen gelitten. Ich hatte ein Pferd, welches nicht in einem normalen Pensionsstall stehen konnte, als Freizeitpferd aber absolut ungeeignet war. Mehrfach sind meine Reitbeteiligung und ich im Gelände vom Zausel runtergefallen, weil er urplötzlich auf dem Absatz kehrt machte und in die entgegengesetzte Richtung davon stürmte. Hatte er seinen Reiter verloren, setzte er seine Flucht unbeirrt alleine fort und stürmte im wilden Galopp bis nach Hause. Wir hatten großes Glück, dass weder uns, noch ihm oder einem unbeteiligten Dritten auf diesen kopflosen Fluchten etwas passiert ist. Natürlich hatte ich ursprünglich ganz andere Pläne mit dem Zausel, wollte erfolgreich Dressur reiten und nun stand er in einem Offenstall ohne fließend Wasser und Strom, mitten in der Natur und ziemlich ab vom Schuss. Zu Anfang war ich noch sehr zuversichtlich, trotzdem mehr oder wenig sportlich orientiert reiten zu können, musste aber immer mehr einsehen, dass dies unter den gegeben Bedingungen einfach nicht machbar war. Den Zausel abzugeben oder ihn anderweitig wegzuorganisieren und mir ein neues reitbares Tier zu kaufen kam zwar nie in Frage, wenn ich ehrlich bin war ich aber schon recht frustriert und unglücklich über unsere Situation.

Da es dem Zausel aber im Offenstall einfach sehr gut ging und er unter den Umständen wirklich so gar nicht zu leiden hatte, war für mich klar, dass ich mit den Abstrichen die ich machen musste, eben leben musste. Ich lernte mich also mit der ein oder anderen Unannehmlichkeit zu arrangieren und viel wichtiger: Ich lernte diese Haltungsform nicht nur schätzen, sondern erkannte, dass sie trotz aller Unbequemlichkeiten, die man in Kauf nehmen musste, die einzig artgerechte Haltungsform war. Trotz meiner eigenen Unzufriedenheit hat mich Tag täglich das Bild der zufrieden grasenden Herde gegen allen Frust entschädigt. Ich konnte mich noch so sehr am anstrengenden Wassereimer schleppen und mühsamen abäppeln stören, das Pferd in einem so freien und artgerechtem Umfeld zu erleben entschädigte wirklich fast alles. Auch wenn ich mir für mich oft etwas anderes gewünscht habe, wusste ich, dass es für den Zausel genau das richtige war. Und der Offenstall brachte ja auch dem Reite neue Freiheiten: Ich musste mir keine Gedanken machen, ob er ausreichend bewegt würde, brauchte mich nicht mehr über im Winter verschlossene Stallfenster zu ärgern, konnte die Fütterung selbst beeinflussen und konnte mir Problemlos auch selbst mal einen zauselfreien Tag genehmigen, weil ich wusste, dass es ihm an wirklich gar nichts fehlte und er mich ohnehin nicht vermissen würde. Denn auch das lernt man mit einem Pferd in Offenstallhaltung: Seine Herde und die Weide genügten ihm vollkommen zum glücklich und zufrieden sein, einen Reiter brauchte er dafür nicht, wenn gleich er mich natürlich trotzdem geduldig für eine Stunde durch die Gegend trug, ehe er wieder zu seinen Homies zurück durfte.

Glücklicherweise haben sich dann im nächsten Jahr ungeahnte Möglichkeiten ergeben, die viele unserer Probleme gelöst haben, sodass die folgenden Jahre deutlich weniger sorgenbelastet und frustrierend waren.

Wir freuen uns immer über eure Kommentare :-)