Hunde, Lifestyle
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Pflegestellenversager

In jedem Reitstall laufen eine ganze Handvoll Hunde und irgendwie gehören die vierbeinigen Schnüffelnasen doch auch zu uns Reitern dazu. Wer seinen Hund nicht vom Züchter holen, sondern gern einem Hund aus dem Tierschutz eine Chance geben möchte, wird vielleicht schon mal über den Begriff Pflegestelle gestolpert sein, der euch in diesem Artikel ein bisschen näher gebracht werden soll.

Pflegestellenversager – so heißt das echt. So nennt man Leute, die einen Hund aus dem Tierschutz als Pflegestelle aufnehmen und ihn dann am Ende doch nicht mehr hergeben können. Aber bevor ich von meinem Versagen erzähle, würde ich gern ein Stückchen weiter ausholen und erstmal über Pflegestellen sprechen.

Lori, der erste Pflegling kam mit 4 Monaten zu uns

Lori, der erste Pflegling, kam mit 4 Monaten zu uns

Pflegestellen sind im Tierschutz heiß begehrt. Ich würde fast sagen, sie sind begehrter als Endstellen (das sind die Leute, die einem Tierheimhund ein dauerhaftes neues Zuhause geben), weil es weniger davon gibt. Das ist zumindest mein Eindruck und ich finde es sehr schade.
Tierheime und Tierschutzorganisationen sind immer auf der Suche nach Menschen, die einem Hund oder einem anderen Tier aus dem Tierheim die Möglichkeit geben, aus dem Zwinger heraus zu kommen und in einem Haushalt auf ein neues, passendes Zuhause, eine sogenannte Endstelle zu warten. Dass dies für den Hund eine ungleich bessere Unterkunft als ein Zwinger ist, ist denke ich sofort einleuchtend. Außerdem erhöht es die Vermittlungschancen ungemein, denn die Pflegestelle hat die Chance, den Hund wirklich kennen zu lernen und eine für ihn optimale Endstelle zu finden. Im Zwinger zeigen sich die Hunde in der Regel ganz anders als in einem Haushalt. Außerdem können die Mitarbeiter im Tierheim bei der Vielzahl der Hunde gar nicht so intensiv auf ihre Schützlinge eingehen, wie das in einer Pflegestelle möglich ist. Viele Sachen, die für das Zusammenleben mit dem Hund entscheidend sind und die später darüber entscheiden, ob der Vierbeiner tatsächlich in seine neue Familie passt, können im Zwinger gar nicht wirklich bewertet und ausprobiert werden. Zum Beispiel, ob der Hund mit Katzen verträglich ist, alleine bleiben kann, einen ausgeprägten Jagdtrieb hat oder in der Wohnung viel bellt. Ist der Hund aber in einer Pflegestelle, kann diese über all diese Eigenschaften des Hundes berichten und so eine wirklich passende Stelle für den Hund finden.

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Der zweite Pflegi Beri, Foxterrier Hündin, zwei Jahre alt

Viele Tierschutzorganisationen, die Hunde aus dem Ausland vermitteln, arbeiten sehr viel mit Pflegestellen zusammen. Aber auch hiesige Tierheime geben bestimmte Schützlinge gern zu Pflegestellen, um sie dort betreuen zu lassen.

Letztes Jahr im Februar bin ich aus meiner Studentenwohnung ausgezogen und mit meinem Freund zusammen gezogen. Ich bin mit Hunden aufgewachsen, meine Eltern hatten immer einen Hund und als ich endgültig zuhause auszog, fehlte mir der Hund ganz schön doll. In meine Lebensplanung passte aber nicht wirklich die Verantwortung für ein Tier, welches 13 Jahre und älter wird. Zu unsicher waren die Zukunftspläne. Sich einen eigenen Hund anschaffen, das war etwas worüber man in einigen Jahren mal nachdenken könnte. Aber dennoch war da die Sehnsucht nach einem Vierbeiner Zuhause. Zwar konnte ich mir ab und an den Hund meiner Eltern leihen, aber eigentlich gaben die Amy auch nur sehr ungern aus den Händen. So reifte in mir der Gedanke, sich als Pflegestelle zu bewerben und einem Hund ein temporäres Zuhause zu bieten. Damit wäre doch allen geholfen: Ich könnte meine Sehnsucht nach einem Hund stillen, müsste aber nicht die Verantwortung für ein ganzes Hundeleben übernehmen, der Hund wäre bis zu seinem endgültigen neuen Heim gut bei uns aufgehoben und außerdem könnte man schon mal für den späteren eigenen Hund ein bisschen üben. Ein Hund auf Probe sozusagen, um auch mal zu sehen, welche Verantwortung so ein Hund überhaupt mit sich bringt. Der Familienhund ist eben doch etwas ganz anderes, als ein eigener Hund für den man komplett eigenständig verantwortlich ist.

Bonnie kam mit 10 Monaten zu uns und fuhr sogar mit in den Urlaub

Bonnie kam mit 10 Monaten zu uns und fuhr sogar mit in den Urlaub

Ein Hund auf Probe klingt jetzt für einige wahrscheinlich erstmal etwas verantwortungslos, man holt sich ja kein Lebewesen einfach mal so auf Probe ins Haus und guckt wie einem das gefällt. Stimmt wohl auch, wenn es sich eben nicht um eine Pflegestelle für einen Hund aus dem Tierschutz handelt. Denn für diesen Hund ist das Zuhause auf Probe eine große Chance und sein Ticket in ein neues Leben. Von diesem Modell profitieren also beide – die Pflegestelle, die sich vielleicht noch nicht auf Dauer an einen Hund binden kann, und der Hund, der nicht im Zwinger sitzen muss. Und es profitiert auch die Endstelle des Hundes, die die Chance hat, den Hund in einem Haushalt unter „lebensechten“ Bedingungen kennenzulernen und so einschätzen zu können, ob er in den neuen Haushalt passt.

Bonnie im Urlaub in Frankreich

Bonnie im Urlaub in Frankreich

Die Bedingungen, die man für eine Pflegestelle erfüllen muss, sind eigentlich die gleichen, die auch jeder Hundehalter erfüllen muss. Man muss seinem Pflegling ein Plätzchen in seinem Leben einräumen, ihn selbstverständlich mit Futter, Wasser, Zuneigung und ausreichend Auslauf versorgen, genügend Zeit für den Hund aufwenden können und ihn nicht stundenlang alleine lassen müssen. Dies aber nicht für die nächsten 13 Jahre, sondern nur ein paar Wochen oder Monate. Ein Zeitraum, den vor allem junge Menschen realistischer überblicken können, denn welcher Student weiß schon, wie sein Leben in 3 Jahren aussieht?

Ein Hund aus dem Tierschutz, das klingt für viele nach einem schwierigen Fall, etwas für echte Hundekenner – landen doch die meisten Hunde im Tierheim, weil der Besitzer nicht mit ihnen klargekommen ist. Das mag sicherlich für einige Hunde stimmen, viele kommen aber auch total unverschuldet ins Tierheim. Zum Beispiel, weil der Besitzer krank geworden ist, sich seine Lebensumstände geändert haben oder er des Tieres und der Verantwortung einfach überdrüssig geworden ist. Auch im Tierheim gibt es ganz unkomplizierte und wirklich anfängertaugliche Hunde! Hunde aus dem Ausland können mitunter schlimme Dinge erlebt haben, aber auch hier gibt es sehr viele, vor allem junge Hunde, die einfach nur ungewollt waren und darum im Tierheim gelandet sind, ohne dass ihnen jemals etwas Schlimmes widerfahren ist oder sie irgendwelche Probleme gemacht haben.

Viel Hundeerfahrung ist für eine Pflegestelle also nicht unbedingt nötig. Wenn man dies mit der Organisation gut kommuniziert, findet sich auch für eine hundeunerfahrene Pflegestelle ein passender Hund. Die vermittelnde Organisation sollte auch Hilfestellung anbieten, falls mal etwas nicht so gut klappt.

Bei all den Vorteilen, die eine Pflegestelle für alle Beteiligten bietet, muss man sich aber natürlich auch im Klaren darüber sein, dass man keinen fertigen Hund übernimmt, der sich problemlos in den Alltag einfügt. Oft muss man an vielen grundsätzlichen Dingen wie der Leinenführigkeit und der Stubenreinheit arbeiten. Der Hund muss viele Dinge erst erlernen, wozu er in seinem bisherigen Leben noch keine Chance hatte. Es wird einige Wochen dauern, bis man seinem Pflegling soweit die Spielregeln eines zivilisierten Hundelebens beigebracht hat, dass er im Alltag problemlos mitläuft. Über eine Sache muss sich jede Pflegestelle klar sein: Ein Pflegling macht mehr Arbeit als ein eigener, erzogener Hund. Viele Sachen, die wir von den Hunden in unserem Umfeld als selbstverständlich voraus setzten, sind für den Pflegling vielleicht neu und unbekannt. Auch hier kommt es natürlich stark darauf an, was der Hund vor seiner Zeit im Tierheim erlebt hat und wie lange er schon im Zwinger sitzt. Um so schöner ist es aber die Entwicklung zu beobachten, wie ein Hund auf einer Pflegestelle aufblüht und zu einem wunderbaren Begleiter heran wächst.

Sita machte uns zu Pflegestellenversagern

Sita machte uns zu Pflegestellenversagern

Welchen Hund man zu sich nimmt, stimmt man zusammen mit der Organisation ab. Viele haben auch Angst, ihnen würde ein Hund zugeteilt werden, diese Sorge ist aber unbegründet. Keine vernünftige Organisation würde jemandem einen Hund aufdrängen, den macht nicht haben möchte. Man darf also an den kleinen Pflegling ähnliche Ansprüche stellen, wie man sie auch an einen eigenen Hund stellen würde. Denn natürlich soll auch der Pflegling zu einem passen und sich in die Lebensumstände eingliedern. Schließlich soll er ja bis zu seiner Vermittlung gut untergebracht sein. Wie lange man seinen Schützling versorgt, hängt stark vom Einzelfall ab und lässt sich nicht pauschal sagen. Der Zeitraum kann zwischen einigen Tagen und mehren Monaten liegen. Kleine, junge Hunde heller Fellfarbe lassen sich erfahrungsgemäß schneller vermitteln als große, ältere, schwarze Hunde. Je unkomplizierte der Pflegling, desto schneller wird er ein neues Zuhause finden. Außerdem kommt es sicherlich auch ein wenig darauf an, wo man wohnt. In Ballungsgebieten und Großstädten lassen sich bestimmt schneller Hunde vermitteln, weil es einfach mehr potentielle Interessenten gibt, für die auch der Anfahrtsweg nicht zu weit ist, um den Hund kennen zu lernen. Wir hatten unsere Pflegis eigentlich alle recht genau sechs Wochen lang, bevor sie in ihr neues Zuhause gezogen sind. Sie waren alle drei total unkomplizierte, liebenswerte kleine Hunde, die dem Menschen gegenüber sehr aufgeschlossen und freundlich waren, großen Kuschelbedarf hatten und uns täglich sehr viel Freude bereitet haben.

Die größte Angst haben die meisten, die über eine Pflegestelle nachdenken, sicherlich davor, den Hund nicht wieder abgeben zu können. Sich von dem über die Zeit liebgewonnen Mitbewohner auf Zeit wieder zu trennen, ist sicherlich der schwierigste Teil einer Pflegestelle und ob man damit klar kommt, hängt wohl von jedem persönlich ab. Ich habe drei Hunde in ganz wunderbare Endstellen vermittelt und habe die Erfahrung gemacht, dass die Freude über die glückliche Endstelle die Trauer über die Abgabe deutlich überwiegt. Die Endstelle wird zusammen mit der Organisation und der Pflegestelle sorgfältig ausgewählt, man hat die Möglichkeit sich kennenzulernen, das neue Zuhause des Pfleglings  zu besuchen und so auch wirklich sicher zu sein, dass der kleine Mitbewohner ein tolles neue Zuhause findet. Keiner muss seinen Schützling mit einem unguten Gefühl abgeben, dann wird eben noch ein bisschen weiter gesucht.

Sita und Lori bei einem gemeinsamen Spaziergang

Sita und Lori bei einem gemeinsamen Spaziergang

Ich habe heute zu allen drei neuen Hundeeltern noch regelmäßigen Kontakt und freue mich immer sehr zu hören, wie glücklich sie mit meinen kleinen Schützlingen sind. Da ist schnell die Trauer über die Trennung vergessen, wenn man hört, dass sie alle ihr ganz persönliches Happy End gefunden haben. Natürlich ist es schwer, den Hund nach einigen Wochen wieder abzugeben, aber das Gefühl einem Hund aus dem Tierschutz eine Chance gegeben zu haben, ihm eine wichtige Starthilfe für den Sprung in sein neues Leben gegeben zu haben und ihn auf sein neues Zuhause  bestmöglich vorzubereiten, das entschädigt für all den Aufwand und den Trennungsschmerz, das verspreche ich. Und mit jedem vermittelten Hund wird ja wieder ein Plätzchen bei euch als Pflegestelle frei, wieder eine neue Chance für eine kleine Tierheimseele.

Tja und wenn ihr es tatsächlich nicht über das Herz bringt, euren kleinen Pflegling wieder herzugeben, dann werdet ihr – so wie ich bei der vierten Pflegestelle – auch zum Pflegestellenversager. Das ist nämlich gar nicht so schlimm, wie es klingt. Seit September dieses Jahres lebt nun also Sita bei uns und bereichert unser Leben jeden Tag. Die Bindung, die man zu einem eigenen Hund aufbauen kann, ist natürlich sehr viel intensiver als die zu einem Pflegling. Trotzdem bin ich doch manchmal traurig, dass bei uns der Platz für einen Pflegling nun erstmal belegt ist und wir keine Starthilfe mehr für eine der vielen Tierheimseelchhen geben können, die so sehnsüchtig auf ihre Chance warten. Aber sechs Wochen mit zwei Hunden sind doch auch überschaubar, oder? Vielleicht bekommt im nächsten Jahr noch mal ein Hund seine Chance auf ein Happy End, bis dahin muss Sita erst noch mal fleißig die Hundeschulbank drücken, damit sie dann mit gutem Beispiel voran gehen kann.

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