Haltung, Pflege
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Winter ohne Decke

Es ist wohl heute in den meisten Ställen so üblich, dass die Pferde im Winter eingedeckt und oft auch geschoren werden. Das hat oft gute Gründe, ist manchmal aber auch eher Gewohnheit. Eigentlich wächst dem Pferd ein ausreichend wärmendes Winterfell und im Artikel „Wollen Pferde eine Decke tragen?“ ist eine Studie zitiert, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Pferde bei freier Wahl eher keine Decke tragen möchten. Es muss doch also auch ohne gehen, oder? Die Krokusse sind schon fast wieder verblüht, es geht mit großen Schritten Richtung Ostern: Der Winter ist rum und ich ziehe Bilanz nach unserem ersten deckenfreien Winter.

Doc konnte diesen Winter auf Grund seiner Wunden nicht eingedeckt werden. Ich hatte zwar in den letzten Jahren schon einige Male nicht geschoren sondern nur mit einer leicht gefütterten Decke eingedeckt, aber so ganz ohne stand er dann doch noch nicht.

Im Herbst habe ich mir darüber noch recht wenig Gedanken gemacht. Die OP war unausweichlich, die Wunden ließen keine Decke zu, die Sache war ziemlich eindeutig und damit für mich vom Tisch. Er hatte im Paddock die Möglichkeit sich bei schlechtem Wetter unterzustellen, musste weder im Regen noch im Zug stehen, gegen die Kälte würde ihm ein ausreichend dickes Fell wachsen.

Als die ersten kalten Nächte kamen, kam auch das Thema Eindecken und damit auch die alljährlichen Fragen wieder auf den Tisch. „Hast du schon eingedeckt?“ „Meinst du die ungefütterte Decke reicht noch oder würdest du mehr drauflegen?“ “Tagsüber wird es diese Woche noch mal wieder richtig warm, würdest du wieder ausdecken?“ „Bist du heute abend noch mal im Stall? Kannst du meinen für mich eindecken?“ Um all diese Dinge brauchte ich mir dieses mal keine Gedanken zu machen, mein Zauselchen bekam zusehens mehr Fell und machte damit seinem Namen immer mehr alle Ehre.

Je länger das Fell wurde, desto besser und nachhaltiger ließ es sich einsauen. Hinzu kam, dass der Winter ja bekanntermaßen die Matschjahreszeit ist und auch unser Paddock blieb davon leider nicht verschont. Außerdem entwickelte der Zausel offenbar richtige Freude daran, das Fell mit sehr regelmäßigen Schlammpackungen zu pflegen. Eigentlich ist er ein sehr sauberes Pferd und mein Putzprogramm beschränkt sich in der Regel auf einmal drüber bürsten. Das klappt mit einem eingedeckten Pferd auch ganz hervorragend und kommt dem Zausel sehr entgegen, er mag putzen nämlich nicht.

Diesen Winter hätte ich ihn aber täglich mit dem Hochdruckreiniger bearbeiten müssen, um ihn sauber zu bekommen. Da ich ihn zur Versorgung der großflächigen Wunden aber täglich schon genug ärgern musste, wollte ich es mir mit ihm nicht gänzlich verscherzen und habe nur täglich zumindest die ganz groben Verschmutzungen entfernt. Trotzdem wurde ich von einer Stallkollegin gefragt, die mit hochgezogener Augenbraue das Pferd auf dem Paddock betrachtete, ob ich ihn absichtlich den ganzen Winter nicht geputzt hätte, damit das Fell eine Schutzschicht aufbauen könnte.

Der Winter ohne Decke ist also vor allem eins: Dreckig. Wirklich Dreckig. Und selbst wenn man sich beim putzen größte Mühe gibt, so wirklich schick sauber bekommt man den Pelz irgendwie nicht. Das Fell wirkt auch lange nicht so schön glatt und gl#nzend wie bei einem eingedeckten Pferd. Vielmehr steht es irgendwie wild vom Pferd ab, weil es unter dem Matsch immer in andere Richtungen trocknet. Nach dem Ausbürsten der Schlammschicht sieht das Pferd irgendwie immer noch eher nach aufgeplatztem Sofakissen als nach edlem Ross aus.

Es gibt den Spruch nur ein dreckiges Pferd ist ein glückliches Pferd. Das mag für Pferde gelten, nicht aber für ihre Reiter. Außerdem gilt das wohl auch nur für solche Pferde, die sich an dem intensiveren Reinigungsprogramm nicht stören.

Eis und Schnee hat der Zausel gut wegesteckt und war zu dieser Zeit immerhin nicht so schmutzig. Wenn gleich er nicht gefroren hat, habe ich doch gemerkt, dass ihm die Kälte etwas in den Rücken zieht. Da ist er aber auch besonders empfindlich.

Im Januar haben wir langsam wieder angefangen das Training aufzunehmen. Da er fast drei Monate gar nichts getan hatte, war seine Kondition ohnehin so schlecht, dass wir sehr langsam anfangen mussten. Eine halbe Stunde kann ich ganz normal reiten und arbeiten, ehe er wirklich anfängt zu schwitzen. Dafür können wir ohne Abschwitzdecke ausreiten und bei Temperaturschwankungen musste ich mir keine Gedanken machen ob er zu warm oder zu kalt eingedeckt ist.

Und wo jetzt wieder alle Anfangen abends ein zweites Mal in den Stall zu fahren, um die lieben Rösser für die Nacht warm einzupacken, verliert der Zausel seit Tagen langsam aber kontinuierlich sein Fell ganz ohne mein zutun.

Mein Resümee aus dem Winter ohne Decke ist gemischt. In der Übergangszeit war es schon sehr praktisch, dass man sich über das Deckenthema keine Gedanken machen musste. Reiten kann man ein uneingedecktes Pferd natürlich auch, allerdings nur in leichter Arbeit weil sie sonst zu stark schwizten. Wem also das Ein- und Ausdecken auf die Nerven geht und wer im Winter eh nicht so viel Reiten möchte, für den kann ein deckenfreier Winter eine gute Alternative sein. Derjenige sollte dann aber nicht allzu viel Wert auf ein sauberes Pferd legen oder ein echter Putzteufel sein. Wer intensiv trainieren möchte oder sein Pferd gern richtig schön im Lack hat, sollte lieber nicht auf die Decke verzichten und ggf. sogar den Winterplüsch abscheren.

 

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  1. Pingback: Der zweite Winter ohne Decke | Horse Diaries

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