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Neid im Reitsport – eine Gegendarstellung einer (manchmal) Neidischen

Verschiedene persönliche Blogs zum Thema Reitsport und Pferde haben das Thema Neid in den letzten Monaten thematisch aufgearbeitet und ihre Sicht der Dinge geschildert. Dabei geschah dies immer aus der Position eines Beneideten.

Neid ist in unserem alltäglichen Sprachgebrauch direkt sehr negativ besetzt und wird oft fälschlicherweise mit Missgunst gleichgesetzt. Die Begriffe haben allerdings einen kleinen, aber in der Bedeutung sehr gravierenden Unterschied: Neid bedeutet einfach nur, dass sich jemand etwas wünscht, was jemand anderes bereits hat. Jeder kennt dieses Gefühl und hat es selbst schon mal erlebt. Man sieht jemanden mit einer Kugel Eis über den Bürgersteig laufen und möchte auch eine Kugel, man hört von einer tollen Urlaubsreise und möchte auch sofort in die Sonne oder es kommt jemand mit einer Schleife vom Turnier zurück und man möchte auch, dass sich die Mühe endlich auszahlt und man selbst mit Erfolg belohnt wird.
Neid ist also nichts schlechtes und kann anspornen und beflügeln.

Missgunst hingegen ist die hässliche Schwester zum Neid. Sie gönnt dem anderen nicht, was er hat, frei nach dem Motto: Wenn ich etwas nicht haben kann, sollen es andere auch nicht bekommen.

Ich weiß, dass in den oben genannten Blogs vor allem die Missgunst gemeint war, als es um das Thema „Neid unter Reitern“ ging und teile auch die Ansicht, dass Missgunst eine wirklich hässliche Emotion ist. Trotzdem kann ich durchaus nachempfinden, wie man sowohl Neid als auch Missgunst unter Reitern empfinden kann.

Reiten ist ein faszinierender, fesselnder, leidenschaftlicher Sport, er ist vielseitig, intensiv und einzigartig, aber eines ist er nicht: Fair.
Die Chancen auf Erfolg sind vielleicht so ungleich verteilt wie in kaum einem anderen Sport – das stelle ich einfach mal so in den Raum. Erfolg im Reitsport hängt von so vielen Faktoren ab, die man als Reiter selbst nicht in der Hand hat, dass das Frustlevel schon mal ganz schön hoch sein kann. Natürlich fällt Erfolg nicht vom Himmel und bei den meisten erfolgreichen Reitern steckt mit Sicherheit viel Arbeit, hartes Training und eiserne Disziplin hinter dem Erfolg. Im Zusammenhang mit Neid und Missgunst wird gern auf eben diese Tatsache verwiesen, dass man für den Erfolg auch einiges geleistet hat, einige Opfer gebracht hat und einem der Erfolg nicht in den Schoß gefallen ist.

Manchmal vermisse ich an dieser Stelle aber ein bisschen die Demut vor den eigenen Chancen, die Erkenntnis, dass es nicht jedem vergönnt ist, für den Erfolg hart zu arbeiten, zeitaufwendig zu trainieren und alles zu geben. Ich möchte damit gar nicht die Arbeit, die zweifelsohne hinter jeder Erfolgsgeschichte im Reitsport steht, mindern oder klein reden, ich glaube nur, es gibt so viele, die gern mehr gegeben hätten, gern härter trainiert hätten, gern mit aller Disziplin am Erfolg gearbeitet hätten, aber nie die Chance dazu hatten. Wie viele Reiter konnten ihren Traum von der Turnierkarriere nicht verwirklichen, weil sie nicht das passende Pferd dazu hatten? Oder weil das passende Pferd leider nicht mit der nötigen Gesundheit und Härte ausgestattet war? Oder hatten nie die Chance ein eigenes Pferd zu besitzen, obwohl sie dazu bereit gewesen wären, auf so vieles mehr zu verzichten als es der ein oder andere Mehrpferdebesitzer überhaupt muss? Hatten als Kind nicht die Chance von den Eltern zur Reitstunde gefahren zu werden oder überhaupt Kontakt zu Pferden zu haben, weil vielleicht eine Allergie innerhalb der Familie dies verhindert hat? Misserfolg ist genauso vielseitig wie Erfolg selbst auch.
Und bei Erfolg und Misserfolg geht es nicht nur um einen Schrank voller Schleifen, sondern jeder setzt seine Ziele und damit auch seine Maßstäbe für Erfolg ganz unterschiedlich. So kann auch Neid und Missgunst aufkommen, wenn man seit Jahren intensives Scheutraining betreibt und trotzdem kaum vom Hof kommt, während sich andere ein junges Pferd kaufen und damit vollkommen unvoreingenommen und ohne jemals auch nur an Scheutraining gedacht zu haben, stundenlange Ausritte unternehmen können. Kann man es da jemanden verübeln, wenn in ihm der Neid hochkommt?

Ich habe selbst auch schon Neid empfunden und mich vielleicht mal nicht ganz so gebührend über den Erfolg eines Stallkollegen freuen können, wie ich es eigentlich gern gekonnt hätte. Zu sehr schmerzt in dem Moment der zerplatzte Traum vom eigenen Erfolg, wenn man statt zu trainieren das eigene Pferd unermüdlich im Schritt durch die Halle führt. Und vielleicht war auch so manches Mal ein kleines bisschen Missgunst dabei, wenn man kurz bei sich gedacht hat, dass das Pflegen eines kranken Pferdes doch ein viel größeres Opfer ist, als morgens um 4 aufzustehen und zum Turnier zu fahren anstatt auf eine Party zu gehen. Ja, da hat man vielleicht schon mal so ganz heimlich gedacht, man selbst hätte es eher verdient, mit Erfolg belohnt zu werden, als manch anderer. Und ich hatte in diesen Situationen „nur“ ein krankes Pferd, wie bitter muss sich der Neid einer Reitbeteiligung anfühlen, die sich Jahre lang kümmert und bemüht, trainiert und pflegt, nur damit dann am Ende der Pferdebesitzer das Pferd, dessen er schon so lange überdrüssig war, für teures Geld verkaufen kann?

Ihr lieben erfolgreichen Reiter da draußen, ich möchte mich im Namen aller Neidischen entschuldigen. Habt ein bisschen Nachsicht mit uns in diesen Momenten menschlicher Schwäche. Eigentlich freuen wir uns natürlich auch mit euch – eigentlich. Aber manchmal können wir das nicht ganz so zeigen, wie wir es gern würden. Habt ein bisschen Nachsicht, dass wir auch gern eure Chancen gehabt hätten, dass wir gern bewiesen hätten, dass wir diszipliniert trainieren können, dass wir hart arbeiten können, dass wir Zeit und Mühe investieren können. Wir hätten so gern und durften nicht. Es ist nichts persönlich gegen euch, es ist nur manchmal nicht so leicht hinzunehmen, dass manchmal aller Wille nicht hilft, wenn es nicht sein soll.

 

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