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„Ich reite keine Turniere mehr!“

Dies ist ein Gastbeitrag von Wiebke, der Besitzerin von Emmis Bruder Da Vinci. Die beiden sind seit 13 Jahren ein Team und waren jahrelang zusammen im Turniersport erfolgreich.

„Du bist doch immer Turniere geritten – warum denn jetzt nicht mehr?“

„Dein Pferd ist doch so gut drauf im Moment, nenn doch ruhig nochmal was, das wird bestimmt gut!“

Ich bin ehrgeizig und ich bin jahrelang Turniere geritten, habe mich immer (in meinem und in dem Rahmen der Pferde, die ich hatte) weiter entwickelt. Aber jetzt habe ich beschlossen, dass ich eine Pause brauche. Warum das so ist, versuche ich euch in diesem Beitrag zu erklären.

Eigentlich reite ich Turniere seit ich denken kann, ich komme aus einer Reiterfamilie und bin immer toll gefördert worden – genau wie ich es wollte. Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich meine ersten Führzügelwettbewerbe 1997 oder 1998 geritten. Es ging Jahr für Jahr weiter, Reiterwettbewerbe, E-Dressuren, 2004 die ersten A- und L-Dressuren, ich glaube 2008 war ich das erste Mal M platziert und 2012 bin ich die ersten S-Dressuren geritten. Ich wollte mich immer weiter entwickeln und habe auch über die Jahre so viel dazu gelernt, bin immer besser geworden und die Turniere waren immer ein riesengroßer Teil des Jahres. Im Winter hat man trainiert und sich vorbereitet, neue Sachen gefestigt, sich in die nächsthöhere Klasse vorgearbeitet. Spätestens im April ging es los in die Turniersaison, nahezu jedes Wochenende früh aufs Turnier, Saisonende erst Ende September. Wirklich – ich habe es geliebt!! Mir hat das Reiten glaube ich wirklich durch die Erfolge erst richtig Spaß gemacht.

Letztes Jahr im Frühjahr und Sommer ist mein Pferd, das den größten Anteil an meinen Erfolgen und Erlebnissen hat, mehrmals ausgefallen und ich konnte gefühlt fast keins der genannten Turniere reiten. Zwar war ich Anfang des Jahres auf einem Turnier und das war wirklich richtig toll und ich war so stolz auf unseren Erfolg, aber ich bin irgendwie so Mitte des Jahres ins Grübeln gekommen und habe dann aufgrund der Wehwehchen von meinem Pferd beschlossen, 2017 keine Turniere mehr zu reiten. Das war im ersten Moment glaube ich eher so eine Trotz-Reaktion, weil ich das Gefühl hatte, dass das Pferd immer kurz vorm Turnier die nächste komische Kleinigkeit hatte (Insektenstich im Gesicht, eingeklemmter Nerv – nie was „richtig schlimmes“).

Aber dadurch habe ich irgendwie gemerkt, was mir vorher schonmal aufgefallen war, was ich aber immer abgetan hatte. So richtig Lust aufs Turnierreiten wie früher hatte ich nicht mehr. Auch vorher schon hab ich mich ab und zu dabei erwischt wie ich freitags nach der Arbeit dachte: „Puh, jetzt noch Sattelzeug putzen, Pferd waschen, Anhänger packen und dann morgen um 5 Uhr los zum Turnier – oh nö.“ Aber die Turnierreiterei gehörte so sehr dazu, ich hab das über so einen langen Zeitraum einfach immer gemacht, ich bin gar nicht darauf gekommen, dass mal NICHT zu machen. Es war einfach immer so. Durch die Pausen von meinem Pferd bin ich wirklich mal dazu gekommen, da drüber nachzudenken und an den Wochenenden, wo der Rest aus dem Stall zum Turnier gefahren ist, hatte ich komischerweise auch gar keine Langeweile, sondern habe ich die Zeit auch wunderbar anders rum gekriegt (zum Beispiel mit Ausschlafen :D).

Ich habe dann echt lange darüber nach gegrübelt und die Entscheidung, (erstmal) keine Turniere mehr zu reiten, ist mir auch nicht leicht gefallen, aber nachdem ich es das erste Mal wirklich ausgesprochen hatte, hab ich gemerkt, dass mir das gut tat. Ich muss keinem was beweisen, mein Pferd ist 17, wir haben gemeinsam M-Dressur, L-Springen und A-Vielseitigkeit gewonnen, sind S-Dressuren geritten, wir haben so viel erreicht. Außerdem bin ich mittlerweile nicht mehr Schüler und auch nicht mehr Student und auch meine Zeit teilt sich inzwischen anders auf und es gibt Tage, da bin ich nach der Arbeit kaputt und habe keine Lust auf anstrengendes Training für die anstehende S-Dressur in 14 Tagen.

Mittlerweile ist die Turniersaison 2018 fast schon in vollem Gange und ich finde es SO GUT, dass ich nichts reite. Es war genau die richtige Entscheidung, die Luft war einfach raus. Mein Pferd ist so gut drauf wie bestimmt die letzten 1-2 Jahre nicht mehr und ich habe gar keinen Druck auf irgendwas hinzuarbeiten und es macht einfach nur Spaß mit ihm zu trainieren und aber auch mal Fünfe grade sein zu lassen und nur ohne Sattel mit Halsring rumzujuckeln.

Was ich trotzdem nach wie vor nicht verloren habe, ist mein Ehrgeiz. Es ist aber derzeit irgendwie ein anderer Ehrgeiz. Nicht mehr sich auf dem Turnier beweisen, sondern weiterhin gut im Training bleiben, sich weiter verbessern, aber nicht auf Teufel komm raus. Außerdem habe ich die Möglichkeit ein wirklich tolles, junges Dressurpferd reiten zu dürfen, worin ich meinen ganzen „Dressur-Ehrgeiz“ ausleben und in die Ausbildung stecken kann. Das macht mir unheimlich viel Spaß, was ich in diesem Artikel auch schonmal beschrieben hatte.

Ich reite aber auch mit meinem Pferd weiterhin Unterricht und trainiere auch viel. Aber ich mache es wie ich gerade Lust habe und entscheide spontan. Wenn ich merke, dass mein Pferd oder ich nicht gut drauf sind, dann trainiere ich gar nichts spezielles oder ich reite aus oder reite gar nicht. Aber wenn wir beide Lust haben, dann reite ich auch mit vollster Freude das gesamte S-Programm durch und feile an den Dingen, die uns schon immer nicht so ganz leicht gefallen sind. Und komischerweise verbessern wir uns in diesen Dingen gerade jetzt erstaunlich gut. Es ist fast als würde es mir jetzt leichter fallen, meinem Pferd zu sagen, was ich möchte, weil ich kein festes Ziel („Oh man, in 14 Tagen muss das WIRKLICH GUT klappen“ z.B.) mehr vor Augen habe. Und ich habe das nicht nur beim Dressurreiten. Das Springen fiel uns schon die letzten 1-2 Jahre nicht mehr so super leicht wie es mal war, also habe ich den ganzen Herbst und fast den ganzen Winter ausgesetzt und auf einmal klappt es wieder und ich denke jedes Mal „Herrlich, wie einfach ist das bloß? Und warum ging es nicht die ganze Zeit so einfach?“.

Ich merke also gerade sehr wie gut es mir tut, einfach mal eine Pause vom Turnierspektakel zu machen. Trotzdem bin ich mir sicher, dass ich es nicht für immer sein lassen kann. Vor 2 Jahren habe ich mir mein Nachwuchspferd selbst gezogen. Der Zögling ist also in 2 Jahren bereit in sein Dasein als Reitpferd zu starten und ich bin schon ganz gespannt auf seine Ausbildung und auf seine ersten Turnierstarts – und ich bin mir sicher, dass ich dann in seinem Sattel sitzen werde. Das erste Turnier auf dem ersten selbst gezogenen Pferd möchte ich mir natürlich nicht entgehen lassen :).

Kategorie: Allgemein, Dressur, Reiten

von

26 jährige Niedersächsin, deren Herz für's Dressurreiten schlägt - reitet aber auch gerne Springen und Vielseitigkeit und hat viel Spaß an Jungpferdeausbildung

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