Wie versprochen kommt hier die Fortsetzung des Beitrages „Reiten in der Schwangerschaft“. Hier will ich euch berichten, wie sich das Reiten mit einem Baby verbinden lässt. Und ich will ganz ehrlich sein: Es ist eine Herausforderung, den Reitsport im ersten Babyjahr in der gewohnten Intensität weiterzuführen. Es gibt viele Gründe, weshalb man die ersten Wochen nach der Geburt erst einmal kaum zum Reiten kommt:
War das Baby in den vergangenen Monaten noch „inside“, ist die Situation nun eine andere. Man ist nicht mehr nur Frau, in diesem Fall reitende Frau – nun ist man zusätzlich auch Mutter und somit ständig ansprechbar und zuständig. Frauen, die ihr Baby stillen, müssen je nach Rhythmus ungefähr alle zwei bis drei Stunden ran. Das Kind trinkt dann auch noch eine gewisse Dauer, also ist das Zeitfenster bis zum nächsten Stillen kein besonders großes. Selbst wenn ihr längere Stillrhythmen habt, das Baby mit zum Stall nehmen könnt, die Flasche gebt oder einfach verdammt schnell am Stall seid – je nachdem, wie gut oder schlecht euer Kind nachts schläft, seid ihr tagsüber dankbar um die ein oder andere Stunde, in der ihr Schlaf nachholen könnt anstatt zum Stall zu fahren. Mütter mit pflegeleichten Kindern und viel Unterstützung durch die Familie sind klar im Vorteil, jedoch ist das nicht bei jeder jungen Mutter der Fall.
Und zu guter Letzt kann es auch gut sein, dass ihr von der Geburt noch lädiert seid und ebenso wenig sofort wieder aufs Pferd könnt wie eine Frau, die per Kaiserschnitt entbunden hat.
Ich möchte euch keine Angst machen, es gibt auch Frauen, die eine ganz unkomplizierte Geburt hatten, topfit sind, das Kind zur Oma geben und nach ein paar Tagen wieder anfangen zu reiten. Die meisten Frauen, die ich jedoch kenne, machen den ersten Besuch am Stall anstatt in Stiefeln noch in der Schwangerschaftsjeans (ja, denn der Bauch ist zwar leer aber noch nicht verschwunden) und mit Kinderwagen, um den Vierbeiner zu besuchen und ihm zu versprechen, bald wieder zum Reiten zu kommen. Ich spreche hier aber von den ersten Wochen nach der Geburt, denn irgendwann, beim einen schneller, beim anderen langsamer, pendelt sich alles ein und man profitiert unheimlich davon, dass man vor dem Kind bereits die Verantwortung für ein Pferd übernommen hat. Stärken im Übernehmen von Verantwortung, im Zeitmanagement, in der Koordination, in der Planung und in der Belastbarkeit sind nicht von der Hand zu weisen und sehr hilfreich. Sehr sportliche Reiterinnen haben außerdem weniger Arbeit mit der Rückbildung.
Ich war eine Woche nach der Geburt im Stall, um mein Pferd mit seiner zukünftigen Chefin bekannt zu machen und es war rührend zu sehen, wie Pferde auf Neugeborene reagieren. Außenstehenden mag das Herz gestockt haben, als mein Pferd seine Nase ganz vorsichtig in den Maxicosi steckte, um an unserer Tochter zu schnuppern, ich hatte jedoch zu keinem Moment ein mulmiges Gefühl und war von der Sanftheit meines Pferdes sehr gerührt.
In der Zeit unmittelbar nach der Geburt hatte ich mein Pferd nach wie vor noch zur Verfügung gestellt und konnte mich somit darauf verlassen, dass es regelmäßig geritten wurde. Ich wollte jedoch schon bald wieder anfangen, etwas zu tun und so habe ich einfach longiert. Das ging in unserem Fall auch prima mit Baby – ich hatte die Kleine oft mit im Stall dabei, warm eingepackt platzierte ich sie am Putzplatz auf einer Bank außerhalb der Reichweite der Pferde und sie schlummerte friedlich vor sich hin. Wenn sie wach war, schaute sie neugierig umher. Ich weiß, dass wir großes Glück mit einem so zufriedenen und lieben Baby hatten, denn so konnte ich sie überall hin mitnehmen und schon recht schnell wieder am Stall tätig sein. Wenige Wochen alte Babys schlafen unheimlich viel, gerade wenn sie vorher getrunken haben, und wenn man ein gutes Timing hat, schlummern sie glücklich vor sich hin, während man in Ruhe sein Pferd putzen und fertigmachen kann. Zum Longieren habe ich mir die Kleine dann mit einem Tragegurt auf den Bauch geschnallt und konnte so ganz normal mit beiden Händen mit dem Pferd arbeiten. Unsere Tochter schlief beim Longieren eigentlich immer ein und ich glaube, sie hat schon sehr früh mitbekommen, was Teee-rabb bedeutet.
Allerdings muss ich ganz klar sagen, dass ich das NUR mit meinem Pferd so gemacht hätte, da er an der Longe sehr sehr brav ist. Außerdem war mir klar: sollte es zu einer brenzligen Situation kommen, würde ich die Longe loslassen, um auf keinen Fall mit dem Kind zu stürzen. Ich kann hier nur warnen, dass man das Risiko gut abwägen sollte.
Als ich wieder anfangen konnte zu reiten, habe ich die Kleine im Maxicosi in die Reithalle gestellt – geschützt in eine Ecke, wo sie sicher war aber ich sie sehen konnte. Das ging aber auch nur, weil es in der Halle möglich war, die Ecke zu nutzen, um sich hinzusetzen und zuzuschauen. In dem Stall, in dem wir nun stehen, wäre es nicht möglich, ein Baby in die Ecke zu stellen, da die Zuschauer dort hinter der Bande stehen. Dann wäre mein Vorhaben schwierig geworden, denn manchmal wachen die Kleinen auf, während man auf dem Pferd sitzt, weil der Schnuller rausgefallen ist, die Sonne blendet, die Mütze rutscht oder, oder, oder. Wer dann nicht mal eben „rechts ran“ reiten kann, um das Malheur zu beheben, sondern erst aus der Halle raus muss, wird keine Freude am Reiten haben. Außerdem hatte ich extrem entspannte Stallkollegen, die es okay fanden, dass ein Baby in der Ecke stand, auch wenn die Pferde zunächst in der Ecke guckten. Das ist keine Selbstverständlichkeit und ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht in jedem Stall gerne gesehen ist.
Ich saß allerdings auch nicht jeden Tag auf dem Pferd, da mit dem jungen Mann, der mein Pferd in der Saison zur Verfügung hatte, ausgemacht war, dass er noch zweimal die Woche weiterreiten sollte. Darüber hinaus hatte mein Pferd auch immer mal frei oder wurde longiert.
So ging es ungefähr das erste halbe Jahr sehr gut, denn so lange die Babys noch nicht viel können außer essen und schlafen, kann man sie gut parken. Frische Luft, viel zu gucken, eine angenehme Geräuschkulisse, viele nette Menschen und Tiere – das mögen die meisten Kleinen. Aber auch nicht alle, ich habe von Babys gehört, die viel geweint haben und bei denen nicht im Traum daran zu denken gewesen wäre, sie einfach überall mit hinzunehmen. Denn merke: die meisten Menschen finden kleine Kinder gut – so lange sie nicht brüllen.
Als unsere Tochter dann älter wurde und anfing mobil zu werden und gleichzeitig weniger zu schlafen, wurde es anstrengender. Zu Beginn habe ich ein ausgeklügeltes System entwickelt, das wie folgt aussah: Mittags zu Hause essen, dann zum Stall fahren und den Kinderwagen an den Putzplatz stellen. Dort das schon schläfrige Kind beobachten lassen, wie man das Pferd putzt. Dann das Pferd in die Führmaschine, mit dem Kind einen kleinen Spaziergang über holprige Feldwege, um es ins Land der Träume zu schuckeln. Schlafendes Kind im Stall an einem sicheren Ort mit angenehmer Geräuschkulisse parken, Pferd aus der Maschine holen, schnell reiten und hoffen, dass das Kind nicht aufwacht. Das ging aber auch nur noch eine Zeit lang gut, denn irgendwann fand unsere Tochter alles so interessant, dass sie nicht einschlafen wollte und darüber ziemlich unleidlich wurde. Außerdem hatte sie keine Lust mehr, im Wagen zu bleiben und wollte lieber Pferde streicheln, rumkrabbeln, zur Mama oder sonst wie randalieren. Da war sie etwa ein Jahr alt. Und ich war ziemlich gestresst.
Zu dieser Zeit beschloss ich, dass es nun an der Zeit sei, sich Hilfe zu holen. Und das ist auch das Stichwort: Wer weiterhin reiten möchte, braucht Unterstützung in der Betreuung. Ohne geht es ab einem gewissen Zeitpunkt einfach nicht mehr. Ich kenne Mütter, die fahren zum Reiten, wenn der Mann abends nach Hause kommt und sich ums Kind kümmert. Andere haben die Großeltern vor Ort. Alternativ gibt es noch die Möglichkeit, das Kind durch Babysitter, Tagesmütter oder in der Kita betreuen zu lassen. Ich habe die Familie nicht in unmittelbarer Nähe und mein Freund kommt auch erst spät nach Hause. So habe ich mir ein paar liebe Mädels am Stall und in der Nachbarschaft gesucht, die auf die Kleine aufgepasst haben, während ich reiten ging. Und nun, mit anderthalb, geht unsere Tochter zur Tagesmutter. In den paar Stunden fahre ich zum Pferd und sitze anschließend am Schreibtisch.
Was hat sich für mich verändert, seit ich ein Kind habe? Früher habe ich sehr viel mehr Zeit am Stall verbracht, habe gequatscht, getüddelt, Sachen geputzt, habe mal noch ein anderes Pferd geritten oder einfach rumgesessen und zugeschaut. Heute bin ich viel stärker getaktet als früher. Ich bringe unsere Tochter morgens zur Tagesmutter und fahre dann gleich weiter zum Stall, wo ich um diese Uhrzeit eine der ersten bin. Dort mache mein Pferd fertig, reite, versorge es und fahre wieder. Dazu brauche ich maximal 1,5 Stunden. Mein Sattelzeug ist nie sauber, bandagiert wird unter der Woche auch nicht, geputzt wird im Schnelldurchgang. Stundenlang noch Fütterchen mischen, Hufe waschen und Möhrchen schnibbeln? Mit Freunden quatschen? Leider keine Zeit. Die Arbeit ruft, und dann muss ich das Kind auch schon wieder abholen. Ich finde den Schnelldurchgang zwar sehr schade, aber nur so ist es möglich, mein Kind, den Job und die Reiterei unter einen Hut zu bekommen.
Derzeit sitze ich wieder ca. 5-6 Mal die Woche im Sattel. Um dieses Pensum zu schaffen, muss ich bei vielem rund ums Pferd Abstriche machen und verhalte mich eher wie ein Berufsreiter, der wenig Zeit für das Drumherum hat. Da ich aber mit Leib und Seele Turnierreiter bin, weiß ich, dass es mit zweimal reiten die Woche nicht funktioniert. Mittlerweile kommt die Kleine auch nicht mehr mit zum Stall, wenn ich reite. Wenn ich sie mitnehme, dann besuchen, streicheln und füttern wir das Pferd, fegen, räumen auf oder machen sonstige Aktivitäten, bei denen ich ihr dann meine volle Aufmerksamkeit schenke, ihr viel erkläre und sie selbst machen lassen. So hoffe ich, allen gerecht zu werden.
Viele Frauen reiten mit Kleinkind deutlich seltener als früher, suchen sich eine Reitbeteiligung und vertagen auch das Turnierreiten. Denn zumindest in den ersten Lebensjahren des Kindes ist der Reitsport kein besonders familienkompatibles Hobby. Wenn man diese Zeit jedoch gemeistert hat, so hoffe ich zumindest, kann es ganz toll sein, mit dem älteren Kind gemeinsam zu reiten und Zeit am Stall zu verbringen. Denn was trotz all der Belastung, der reitende (und berufstätige) Mütter ausgesetzt sind, immer wieder berichtet wird: Die „Auszeit“ am Stall ist unglaublich wertvoll, um die Akkus wieder aufzuladen. Und die eine Stunde auf dem Pferd, ob im Viereck, im Parcours oder im Gelände, lässt einen so manchen Stress vergessen.
Pingback: Reiten in der Schwangerschaft – Gastbeitrag von Sofia | Horse Diaries
Pingback: Gastbeitrag von Sofia: Reiten in der Schwangerschaft | Horse Diaries