Wir freuen uns immer sehr, hier auch Artikel von anderen Autoren veröffentlichen zu können, um euch eine möglichst große Vielfalt aus allen Bereichen aus dem Reitsport bieten zu können. Ganz besonders gefreut hat uns daher der Gastartikel von Vicky, die uns einen Einblick in den Fahrsport geben wird. Wir hoffen, euer Interesse an dieser leider oft unterschätzen Disziplin wecken zu können, denn es wartet noch ein weiterer Artikel aus dem Fahrerlager auf euch. Gibt es unter unseren Lesern auch Fahrer? Oder Reiter die schon mal mit dem Fahrsport in Berührung gekommen sind?
„Niemals würde ich mein Pferd einfahren lassen!“ – Diesen Satz hat wahrscheinlich jeder Reiter schon einmal gehört, gelesen oder sogar selbst über die Lippen gebracht. Auch ich habe bis vor einigen Jahren zu der Fraktion gehört, die mit dem Fahrsport nicht wirklich etwas anfangen konnte, obwohl ich aus einer fahrsportbegeisterten Familie komme. Dass das Pferd mit dem ich gerade den Umstieg aufs Großpferd geschafft hatte, nun auch noch Fahrturniere bestreiten sollte, habe ich zunächst nur sehr widerwillig hingenommen. Trotzdem war dies der entscheidende Anstoß für mich, mich intensiver mit dem Fahrsport auseinander zu setzen und schließlich selbst ein Fahrsportler zu werden.
Fahren – was bedeutet das eigentlich? Der Fahrsport ist sehr traditionell und wird häufig als altmodisch abgestempelt, oft auch als nicht unbedingt pferdefreundlich. Der Fahrsport als das krasse Gegenteil zum Reitsport. Unschöne Bilder von Kutschen mit erschöpft wirkenden Pferden in Großstädten sind jedem bekannt und haben sicherlich die ein oder andere Meinung vom Fahren bzw. vom Fahrsport geprägt. Doch auf solche Bilder ist der Fahrsport auf gar keinen Fall zu beschränken.
Im Fahrsport gibt es verschiedene Anspannungsarten, am bekanntesten sind die Ein-, Zwei- und Vierspänner. Diese messen sich national wie international auf Turnieren bis hin zu FEI Weltmeisterschaften. Auch für Parasportler ist der Fahrsport sehr interessant. Parasportler haben sowohl die Möglichkeit an Regelturnieren teilzunehmen als auch bis hin zu Weltmeisterschaften in verschiedenen Graden zu starten. Dabei wird einspännig gefahren.
Wie im Reitsport gibt es unterschiedliche Klassen, anfangen bei E, geht es über A direkt zu M und dann zu S. Der aufmerksame Leser wird die Klasse L vermissen – zu Recht. Im Fahrsport wird auf die Klasse L und die Leistungsklasse 4 verzichtet. Auf Turnieren werden die drei Teilprüfungen Dressur, Hindernis (Kegel) und Gelände gefahren, die Ergebnisse werden zu einer kombinierten Wertung zusammen gezählt. Jedoch ist es auch möglich nur die Dressur oder die Dressur und das Hindernisfahren als Teilprüfung zu fahren. Platziert wird jede Prüfung extra.
Die Dressuren werden auf einem 40m x 80m bzw. 40m x 100m großen Viereck gefahren. Wie beim Reiten werden komplette Dressuraufgaben gefahren, die verschiedene Lektionen beinhalten. Eine Ausnahme ist der Galopp, dieser wird erst ab der Klasse S und dann auch nur bei Einspännern gefordert. Ganz neu ist, dass die Einspänner bei den internationalen Aufgaben auch Seitengänge (Übertreten) zeigen müssen. Ein Dressurergebnis von 5,0 (bzw. 50 %) und besser ist die Voraussetzung dafür, um auf dem jeweiligen Turnier auch im sogenannten Kegelfahren und im Gelände starten zu können. Beim Kegelfahren ist ein Parcours zu durchfahren, der aus (meist orangen) Pylonen mit abwerfbaren Bällen besteht, die die sogenannten Tore bilden. Je höher die Klasse, desto schwieriger der Parcours und desto enger werden die Tore. Diese Prüfung wird auf Zeit gefahren, heruntergefallene Bällen geben Strafpunkte. Dann kommt die Geländeprüfung, nach einer Streckenfahrt werden feste Hindernisse durchfahren. Für Zuschauer meist die spektakulärste Prüfung, die aber auch unschöne Bilder zu Tage bringen kann – nämlich dann wenn Pferd(e), Fahrer und Beifahrer sich nicht einig sind, sich festfahren, ziehen, zerren, schreien, umkippen … Umso schöner ist es, wenn gut trainierte Pferde, mit guter Kondition und einem Fahrer an den Leinen, der weiß was er tut, nahezu mühelos alle Hindernisse bewältigen und danach so aussehen, als könnten sie das Ganze nochmal machen! Wie in der Vielseitigkeit wird diese Prüfung durch Tierärzte begleitet.
Für´s erste sollte das als kleiner turniersportlicher Einblick ausreichen, doch was ist, wenn man selbst das Fahren anfangen möchte?
Fahren ist, wie das mit dem Pferdesport eben so ist, ein sehr zeitaufwendiges und vor allem teures Hobby. Für den Fahrsport muss man sich bewusst entscheiden, ob in der Freizeit oder auch mit Turnierambitionen – man macht das alles nicht mal so nebenbei. Wer beschließt in den Fahrsport einzusteigen, sei es freizeitmäßig oder eben turniermäßig, sollte den sogenannten „Fahrschein“ (Fahrabzeichen) machen. Neben theoretischen Kenntnissen, wird dabei auch das Fahren an sich vermittelt und praktisch mit sicheren, erfahrenen Gespannen geübt und schließlich geprüft. Damit ist der Anfang also gemacht und dann? Ob das eigene (Reit-)Pferd eingefahren werden soll, muss gründlich überlegt werden. Nicht jedes Pferd ist als Fahrpferd geeignet. Mit dem Einfahren ist es dann ein bisschen wie mit dem Einreiten, irgendwie ist es eine Wissenschaft für sich. Am besten und verantwortungsvollsten ist es, sein Pferd von einem erfahrenen Fahrer einfahren zu lassen. Auf keinen Fall sollte man als Laie versuchen sein Pferd allein einzufahren. Mit dem Einfahren wäre dann Schritt zwei erledigt: Das Fahrabzeichen in der Tasche und das Pferd eingefahren – jetzt kann´s losgehen,oder?! Fehlen „nur noch ein paar Kleinigkeiten“: Eine geeignete Kutsche und passendes Geschirr müssen her. Bei Kutschen gibt es ungefähr so viel Auswahl wie in der Autowelt – vom schnittigen Sportflitzer bis hin zum großen Familienvan, man muss einfach wissen was man will. Sattelsuche ist wohl jedem Reiter ein Begriff, mit dem richtigen Geschirr ist es nicht unbedingt anders – preislich übrigens auch. Auch das passende Gebiss ist nicht immer sofort gefunden. Aber wenn all diese Dinge angeschafft wurden und das Portemonnaie leer ist, kann es losgehen. Dann kann die ganze Familie Pferdesport betreiben, dann können alle zusammen mit dem Pferd/den Pferden in den Wald fahren, die Natur genießen und plötzlich haben Oma und Opa auch mal etwas von der teuren Investition für ihre Enkel. Fährt man zwei Pferde, hat man in einem Rutsch gleich beide bewegt, tut der Rücken oder das Knie gerade so weh, dass man nicht reiten kann, schwingt man sich eben auf den (Kutsch-)Bock und hat sein Pferd trotzdem bewegt. Dabei ist stets zu beachten, dass man in der Regel nie alleine fahren und immer einen Beifahrer dabei haben sollte. Fahrsport ist Teamsport, das ist wörtlich zu nehmen und das spürt man auch.
Wenn es dann mal etwas mehr als die sonntägliche Familienausfahrt sein soll und der Turniersport interessant wird, bekommen regelmäßiges Training und der richtige Trainer höhere Priorität. Fahrpferde müssen genauso nach der Ausbildungsskala trainiert und ausgebildet werden wie Reitpferde auch. Fehlende Schenkel- und Gewichtshilfen sind dabei nicht zu unterschätzen. Ich habe mich oft dabei ertappt, wie ich auf der Kutsche unbewusst die Beine angespannt habe, oder mit dem inneren Schenkel treiben wollte … Das ging natürlich ins Leere. Beim Fahren lernt man die Pferde noch einmal von einer anderen Seite kennen, vielleicht denkt man auch ein bisschen mehr voraus als beim Reiten.
Das Schöne am Turniersport im Fahren ist der besondere Teamgeist. Auf Fahrturnieren herrscht eine andere Mentalität als auf Reitturnieren. Jeder hilft jedem, Zickenkriege, Neid und Missgunst sind weitaus seltener anzutreffen.
Im Prinzip könnte noch so viel mehr über die Faszination des Fahrsports geschrieben werden, aber festzuhalten bleibt, dass der Fahrsport nicht als das krasse Gegenteil zum Reitsport zu sehen ist. Beide Pferdesportarten müssen mit Sinn und Verstand betrieben werden, damit Mensch und Pferd Spaß daran haben und sich gegenseitig gesund erhalten. Als Team kann man viel erreichen und das gilt insbesondere für den Fahrsport.
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