Wer die ein oder andere Pferdefacebookseite geliked hat und verfolgt, wird in letzter Zeit eine Schwämme an romantischen Bildern im Sonnenuntergang von harmonisch kuschelnden Pferden mit ihren Besitzern zu sehen bekommen. Um den Kitsch auf die Spitze zu treiben, tragen die Mädels auf den Bildern gern Sommerkleidchen mit fließenden Stoffen, Spitze und in angesagten Pastellfarben. Meine Timeline ist auf jeden Fall voller dieser traumhaft schönen Bilder. Ist ja klar, dass man dann auch gern mal so richtig romantische Bilder von sich und den lieben Vierbeinern haben möchte. Solche die vor Kitsch wirklich nur so triefen und bei denen man gar nicht anders kann als ein entzücktes „Oh wie schööööön“ von sich zu geben.
Ich habe mich also verabredet mit meiner persönlichen Lieblingsfotografin, mein Anliegen geschildert, die beiden Pferde geschnappt und alle auf die Weide mitgenommen.
Nun liegt es in der Natur der Sache, dass ein Sonnenuntergang im Sommer abends stattfindet. Nach der eigentlichen Weidezeit, wenn alle anderen Pferde schon drinnen stehen. Es handelt sich also aus pferdischer Sicht um eine denkbar ungünstige Zeit, um sich auf der Weide aufzuhalten, was mir beide Pferde durch äußerst unwilliges Trödeln auf dem Weg zur Weide deutlich zu machen versuchten. Nicht dass im Paddock spannenderes passieren würde, das Futter ist dort auch nicht besser. Aber man ist sonst eben NIE so spät auf der Weide und außer der Verrückten, die sich das ausgedacht hat, einem Hund, einer weiteren Person mit komischem Klotz vor dem Gesicht und dem armen Kumpel, der am Halfter ebenfalls mit ins Verderben gezerrt wurde, ist auch sonst keiner bei gesundem Pferdeverstand auf der Weide, was nur bedeuten kann, dass es gerade ein sehr schlechter Ort ist, um sich dort aufzuhalten.
Vielleicht haben sie sich darum gedacht, die Aktion möglichst schnell beenden zu können, wenn sie einfach stoisch mit hängen Köpfen und Ohren neben mir stehen, mir abwechselnd zwecks Fliegenabwehr ihre Köpfe um die Ohren schlagen und penetrant die Nase ins Gras stecken. Sie waren derart unmotiviert, dass ich beinahe den Eindruck bekam, es handelte sich hierbei um einen ganz gezielten Boykott meines Vorhabens. Ich erkannte recht schnell, dass ich nicht zwei Pferde gleichzeitig zur Mitarbeit bewegen konnte und so irgendwie so gar keine Romantik zwischen uns aufkam.
Also dachte ich mir, ich knöpfe sie mir einzeln vor. Ein tiefer Blick von Angesicht zu Angesicht und es würde nur so knistern vor lauter Harmonie und Inniglichkeit zwischen uns.
Ich entschied mich, Sam vorerst zum Fressen auf der Weide zu entlassen und mit dem Zausel an einer gehörigen Portion Kitsch zu arbeiten. Noch während ich versuchte ihm meine Absichten zu erklären und für meine Kuschelattacken eher missmutiges Kopfschütteln erntete, torpedierte Sam von hinten mit einem schrillen Wiehern jegliche aufkeimende Romantik.
Wie von der Tarantel gestochen kam sie auf uns zugeschossen und läutete damit den Strategiewechsel ein. Anstatt das Fotoshooting durch Bocklosigkeit zu sabotieren, einigte man sich nun auf gemeinsames Ausrasten. Beiden wurde offenbar schlagartig bewusst, dass der frühabendliche Ausflug auf die Weide nicht nur ungewöhnlich, sondern auch eindeutiger Grund zur Beunruhigung war. Leicht hysterisch, laut brüllend und ziemlich schnell schoss Sam bockend um uns herum. Der Zausel nahm dies zum Anlass um seinerseits ebenfalls durchzustarten. Einziges Problem an der Sache: Ich hing noch an der Trense und hielt von seiner Idee recht wenig, immerhin pausierte er grade wegen kaputten Fuß und sollte nur Schritt gehen. Zu allem Überfluss entschied sich dann auch noch der Hund spontan in das lustige Spiel einzusteigen und jagte wild kläffend hinter der verrückt gewordenen Sam hinter.
Weil auf meine Lieblingsfotografin aber immer Verlass ist, bekam ich trotz aller Widrigkeiten mein gewünschtes Bild mit allen Vierbeinern. Nur das mit der Romantik, das üben wir bis zum nächsten Fototermin noch mal!
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