Vielleicht kennen es einige – irgendwann beginnen die sogenannten „Alterswehwehchen“ auch bei den Vierbeinern. Bei nasskaltem Wetter dauert es lange bis die Pferde sich gerne bewegen oder sie sind generell etwas steifer. Extreme Hitze geht nicht mehr spurlos an unseren älter gewordenen Freunden vorbei oder es kommen vielleicht sogar körperliche Einschränkungen dazu. Dieser Artikel soll meine Erfahrungen mit euch teilen, vielleicht steckt der ein oder andere von euch gerade genau in der gleichen Situation oder hat bereits solche Erfahrungen gemacht.
Dies ist ein Gastbeitrag von Wiebke, der Besitzerin von Emmis Bruder Da Vinci.
Mein Pferd ist jetzt 18 Jahre alt und seit fast 14 Jahren in meinem Besitz. Über diesen ganzen Zeitraum bin ich seine ständige Reiterin und er mein permanenter Wegbegleiter. Es ist also wirklich nicht weit her geholt, wenn es heißt wir hätten ein „eheähnliches Verhältnis“ :D. Wir kennen uns wirklich sehr gut und ich denke das ist auch wichtig, um zu merken, wann das Pferd älter wird bzw. ob es langsam älter wird. Mit 18 ist mein Pferd sicher noch kein Pferd, das man komplett zum alten Eisen zählen muss – es gibt ja einige Pferde, die in dem Alter noch im hohen Sport gehen.
Das Älterwerden ist ein Prozess, den man erst erkennen muss. Mir ist das eine Zeit lang gar nicht unbedingt aufgefallen, weil sich viele Sachen schleichend verändern, die ich gar nicht mit dem Älterwerden in Verbindung gebracht habe. Manche Sachen sind vielleicht auch eher ein „reifer werden“. Mein Pferd ist zum Beispiel im Umgang „träger“ geworden, unter anderem trödelt er mittlerweile immer ein bisschen, wenn man ihn aus der Box holt. Als jüngeres Pferd war er außerdem immer extrem glotzig, das ist zunächst mit besser werdender Durchlässigkeit weniger geworden, aber irgendwann hat er es komplett abgelegt.
Richtige körperliche Einschränkungen hat er zum Glück gar nicht und darüber bin ich sehr, sehr froh. Er sieht außerdem top aus, die weißen Haare halten sich bisher gut versteckt unterm Schopf und er ist gesund, fit auf den Beinen und bleibt das hoffentlich auch noch sehr lange. Dennoch merke ich ihm beim Reiten an, dass sich in den letzten 1-2 Jahren schon etwas verändert hat. Vor allem bei nasskaltem Wetter ist er nicht mehr das „Immer-locker-Pferd“ von früher, sondern hält sich teilweise lange im Hals und Rücken fest. Alles in allem ist er trotzdem in einem guten Leistungszustand. Das liegt sicher auch daran, dass er über all die vergangenen Jahre immer im Training war. Er hatte glücklicherweise nie lange verletzungsbedingte oder anders begründete Pausen. Ich glaube, das macht viel aus, wenn es darum geht, ob ein älteres Pferd noch lange fit ist oder schon früher „in Rente muss“.
Dass er aber nicht mehr das Pferd ist, das immer direkt nach dem Aufsteigen von alleine locker ist, ist tatsächlich das, was mich persönlich am meisten „einschränkt“. Es gibt immer noch Tage, da ist er einfach von Anfang an locker, der Hals lässt sich bewegen, die Ganasche ist locker und er zieht vom ersten Tritt an ehrlich über den Rücken ans Gebiss. Aber gerade im Winter werden diese Tage mittlerweile weniger. Ich musste erst lernen, damit umzugehen. Dadurch dass ich (leider?) ziemlich ehrgeizig bin, fiel es mir wirklich schwer – auch wenn ich das Turnierreiten schon seit einiger Zeit (vorübergehend) an den Nagel gehängt habe – mein bis S ausgebildetes Pferd an „schlechteren“ Tagen 60 Minuten locker zu reiten, bis er endlich los ließ und den Rücken öffnete. Mir macht schon immer das Ausbilden und Besserwerden am meisten Spaß. Zu merken, dass man das hohe Leistungsniveau nicht mehr halten kann, war anfangs nicht so leicht für mich. Zwar reite ich neben meinem eigenen Pferd auch noch ein jüngeres Pferd mit viel Qualität, was mir auch viel Spaß bereitet, aber irgendwie ist es schon ein komisches Gefühl, wenn das eigene Pferd, was für mich unangefochten das beste und tollste ist, nicht mehr 100 % der Leistung bringen kann. Ich habe mich sogar oft undankbar ihm gegenüber gefühlt, weil ich nach dem Reiten unzufrieden abgestiegen bin. Dabei sollte ich doch eigentlich froh sein, dass er „nur“ ein bisschen steif ist. Es ist nämlich auch nicht so, dass man von unten denkt, dass das Pferd ein super steifes Schiff ist – nein, wenn man ihn nicht kennt und nicht genau drauf achtet, dann fällt einem glaube ich nichtmal auf, dass er anders läuft als vor 5 Jahren.
Ich habe mich dann mehr oder weniger zwingen müssen, meinen Ehrgeiz herunter zu schrauben und passe das Training nun an seine Bedürfnisse an. Als eine richtige Trainingsumstellung würde ich das nicht bezeichnen, aber wenn ich merke, dass er fest ist, setze ich mir andere Ziele und versuche nur ihn locker zu reiten, ohne mich an irgendetwas festzubeißen. Damit geht auch quasi zwangsläufig einher, dass ich insgesamt gesehen weniger Lektionen reite. Zwar bestand früher unser Training logischerweise auch nicht aus reinem Lektionsreiten, aber mittlerweile überwiegen die Tage, an denen ich ausschließlich Losgelassenheit und Durchlässigkeit erarbeite. Außerdem achte ich darauf, dass er immer kontinuierlich gearbeitet wird. Früher habe ich z.B. über den Winter immer das Training runter gefahren. Das mache ich jetzt nicht mehr, weil ich weiß, dass er besser drauf ist, wenn er regelmäßig was tut. Dazu zählt übrigens auch Longieren. Wenn er nämlich doch mal länger als zwei Tage Pause hatte, ist er mittlerweile doch ein richtiges kleines Steiftier und das möchte ich uns beiden ersparen. Allerdings reite ich zur Motivationserhaltung (und im Winter zur Vermeidung von Hallenkoller bei uns beiden) auch nicht öfter als fünfmal pro Woche.
Was mir aber auffällt: Die Tage, an denen er super gut drauf ist, an denen ich (fast) alle Lektionen abrufen kann und er einfach spitzenmäßig läuft, fallen viel mehr ins Gewicht als früher und sind irgendwie auch mehr wert.
Außerdem habe ich gemerkt, dass es besser ist, wenn ich nicht morgens reite bevor er raus kommt. Nach der Nacht in der Box braucht er immer ein bisschen, um seine Glieder in Schwung zu bringen. Wenn ich reite, nachdem er sich draußen schon stundenlang bewegt hat, ist er gleich viel lockerer! Für die Motivation hilft es uns beiden außerdem möglichst viel auszureiten – da möchte er aber dann bitte unbedingt auch nicht nur Schritt gehen. Und im Trab und Galopp vorne, ganz klar!! Da ist das Alter und die Erziehung manchmal ziemlich schnell vergessen :D.
Wie es die nächsten Jahre mit uns als Reiter-Pferd-Paar weiter geht, weiß ich noch nicht ganz genau. Aber der Gedanke, dass ich mittlerweile das ein oder andere Mal weniger Spaß daran habe ihn zu reiten als früher quält mich schon. Dadurch dass er mich über einen so langen Zeitraum begleitet hat und wir so viel gemeinsam erlebt haben, ist er wirklich besonders für mich und irgendwie komme ich mir fast ein bisschen verlogen vor, nun zu sagen „Ich habe keinen Spaß mehr daran ihn zu reiten.“. Fest steht auf jeden Fall, dass ich, solange er gesund und fit ist, dafür sorgen werde, dass er immer entsprechend fit gehalten und gymnastiziert wird. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass mein Nachwuchspferd inzwischen 3 Jahre alt ist und Ende dieses/Anfang nächsten Jahres in die Arbeit soll und ich ihn dann nach dem Anreiten auch zeitnah selbst reiten möchte. Dennoch hilft mir der Gedanke an das Nachwuchspferd ab und zu, wenn ich mal wieder ein bisschen geknickt bin, dass es mit meinem jetzigen Pferd nun keine Vorwärtsentwicklung mehr gibt und dass wir auch nicht mehr wieder auf das hohe Leistungsniveau zurückkehren, was wir schonmal hatten.
Alles in allem ist aber irgendwie auch schön, dass ich diese ganze Entwicklung miterlebe. Ich bin vor ungefähr 8 Jahren mit meinem Pferd in eine andere Region gezogen. Die Leute „von früher“ kennen ihn nur als oft ziemliches verrücktes Pferd und viele, die ihn lange nicht mehr gesehen haben, können sich kaum vorstellen, dass er so artig und umgänglich geworden ist, dass ich (fast) jeden auf ihn setzen könnte. Diese Veränderung seines Wesens gehört auch irgendwie zum Älterwerden dazu und ich freue mich, dass ich ihn schon so lange begleite und das alles mit erlebe. Da gehört dann eben jetzt mittlerweile auch dazu, dass ich mich ihm anpassen muss.
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