Die meisten kennen das Problem – vom eigenen oder dem Pferd eines Stallkollegen – der sture Esel möchte nicht in das eigens für ihn angeschaffte Gefährt einsteigen. Dann ist guter Rat teuer und im Ernstfall auch dringend nötig. Ratschläge finden sich dann in Reiterkreisen zuhauf – oft auch ungefragt gibt jeder eine andere, garantiert erfolgsversprechende Variante zum Besten.
Ich konnte zu dem Problem oft achselzuckend wenig beitragen, mein Pferd steigt schließlich einfach so ohne großes Zutun meinerseits in den Hänger. Dachte ich. Bis er das für sich anders beschlossen hat. März 2013, Lehrgangstag zwei, wir hatten an diesem Wochenende schon dreimal unproblematisch erfolgreich verladen, der Zosse streikt. Heimfahrt ist nicht, was tun, wenn vorne ziehen nicht hilft? Hinten schieben?
Wenn nichts zu machen ist, ist man für jeden freiwilligen Helfer dankbar. Helfer Nummer eins erklärte mir – was ich durchaus plausibel finde – dass ich dem Pferd außerhalb des Hängers nur genügend Stress machen müsse und dieses dann erkennt, dass es im Hänger seine Ruhe hat. Also haben wir mein weißes Eselchen fleißig rückwärts gerichtet und im Kreis gedreht, doch mehr als zwei Füße auf die Rampe stellen und den Rest stoisch gelassen zu ertragen, konnten wir ihm nicht abringen. Wir waren davon jedenfalls gestresster als das Pferd und entschieden uns, die Longen auszupacken. Erst ein bisschen ziehen – dann mit Kraft, eine Longe reißt, der Gaul hat sich noch nicht vom Fleck bewegt.
Ersatz für Longe Nummer zwei brachte Helfer Nummer zwei – und eine Gerte noch dazu. Wenn ziehen an den Longen nicht hilft, also hinten drauf hauen – Reaktion fordern. Doof nur, wenn mein Schimmel sich wahlweise mit den Hinterbeinen tatkräftig wehrt oder dem Helfer am Kopf den Strick durch die Hand zieht und mit den Vorderbeinen in die Longen steigt. Das war mir definitiv zu brutal und zu gefährlich.
Zwischenzeitlich läuft jemand vorbei und fragt, ob ich es schon mit einer Möhre probiert habe. Seufz.
Lange Rede, kurzer Sinn – nach zwei Stunden konnten wir mit Helferin Nummer drei – die tatsächlich sehr ruhig und überlegt an die Sache ran ging und drei weitere Helfer instruierte und nebenbei einen Schneeschieber hinter dem Pferd bediente, das Tier in den Hänger verfrachten. Das müsse man nur dreimal so machen und dann geht der wieder friedlich rein. Doof nur wenn man das nicht kann, oder zu wenig Helfer dauerhaft in der Nähe hat, die zu dieser Aktion in der Lage sind. Ich war völlig aufgelöst aber dankbar ohne Ende.
Zuhause angekommen, habe ich mir viele Gedanken zur Ursache dieses plötzlich auftretenden Problems gemacht und mich direkt mal an die große Gemeinschaft eines Forums gewandt. Da muss ja jemand den ultimativen Trick kennen.
Mir wurden diverse Varianten angeboten. Mit Futter locken. Fehlanzeige. Hengstkette drauf um Rückwärts zu verhindern. Dummerweise steht das Pferd aber einfach nur völlig stoisch da. Longen drum und Pferd reinschieben damit. Fünf Helfer benötigt, das hatten wir irgendwie schonmal. Drei starke Männer das Pferd mit einer Hindernisstange reinschieben lassen. Ähm nein?! Mit Besen von hinten nerven, bis es dem Pferd zu blöd ist. Mit Gerte hinten touchieren, bis es dem Pferd zu blöd ist. Es wird dem Pferd nicht zu blöd. Verladesicheres Pferd in den Hänger stellen. Das Pony wird unruhig, weil es den Heusack leergefressen hat, mein Schimmel steht brav vor dem Hänger. Das Pferd nicht mehr füttern und tränken, Wasser nur im Hänger anbieten. Hänger auf die Weide stellen, Möhrchen rein und warten, bis die verschimmelt sind. Watte in die Ohren stecken. Noch abstruser? Mein Pferd muss mich als Leittier akzeptieren – Moment – das klingt sinnvoll. Aber wie stelle ich das an?
Irgendwann hab ich verzweifelt aufgegeben, mich mit Heunetz in den Hänger gesetzt und gewartet. So dass er rankommt, wenn er mit beiden Vorderbeinen auf der Klappe steht. Netz immer 10cm vorziehen, bis er sich überwindet und nach 1,5h im Hänger steht. Auf Zug rennt er allerdings rückwärts raus. Das klappte nach wenigen Tagen in 3 Minuten. Damit konnte ich leben. Doch irgendwann hat der Esel gecheckt, dass man im Hänger entspannt fressen kann und nur mit viel Schwung den Rückwärtsgang einlegen muss, wenn jemand die Stange anfasst.
Dann hat sich mein Pferd auf der Weide verletzt und musste tatsächlich in regelmäßigen Abständen in eine Klinik transportiert werden. Die Longenvariante klappt mittlerweile nur noch mit starkem Mann am Kopf. Mich hebt der Esel einfach am Gebiss hoch und aus dem Hänger raus oder zerreißt wahlweise seine Trense oder eine Longe. In der Klinik fahren wir rückwärts in eine Stallgasse und verladen im Trab mit viel Beseneinsatz von hinten. Super mit dem frisch operierten Bein.
Da auch Schritt führen mittlerweile eine echte Herausforderung war durch die lange Stehzeit, rückte das Verladeproblem in den Hintergrund. Aus Sicherheitsgründen zog ich einen Trainer hinzu. Ich mache es kurz – mein Pferd hat gelernt, Respekt vor mir zu haben oder viel mehr habe ich gelernt, mir Respekt zu verschaffen. Akzeptiert er mich bedingungslos als ranghöher, dann muss er gefälligst tun, was ich von ihm verlange. Da gibt es kein betteln und mit Hafereimerchen bitten. Er hat verstanden – wenn ich Druck auf ihn ausübe, welcher Art auch immer, muss er diesem weichen, um seine Ruhe davor zu haben. Ein Pferd steigt nicht aus Trotz und Boshaftigkeit nicht in den Hänger, sondern, weil es das für sich als sicherer erachtet. Akzeptiert es mich als Chef, lässt es mich entscheiden, was für ihn wie sicher ist.
Mein Schimmelchen lässt sich mittlerweile völlig entspannt und sicher von mir alleine verladen – ohne, dass wir viel am Verladen selbst geübt haben. Ich kann – wie am Boden auch – jeden Schritt in jede beliebige Richtung kontrollieren, weil wir das gelernt haben und auch beim Verladen anwenden können.
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