Ich war süße 12 Jahre alt, als ich mein erstes Pferd bekam und 17 Jahre, als wir mein jetziges Pferd kauften. Ehrlich gesagt habe ich mir damals nicht besonders viele Gedanken darüber gemacht, wie es nach meinem Abi mit dem Pferd weitergehen soll. Während meiner Schulzeit gab es in meinem Leben nämlich nur ein Thema, das mir wirklich wichtig war: Reiten! Mein Pferd stand über allem anderen und ich war täglich mehrere Stunden im Stall. Pferd putzen, Schweif waschen, Lederpflege, Mash kochen, Springstunde, Turnierausschreibungen studieren, Vereinsarbeit, Abäppeln, Pferde reinholen… Reiten kann bekanntlich sehr zeitfüllend sein. Hausaufgaben, Jungs oder sonstiger Sport interessierten mich nicht. Eine Reitbeteiligung auf meinem Pferd? Unvorstellbar.
Nun lebt so ein Pferd im Idealfall nicht nur ein paar Jahre, man bindet sich mit dem Kauf unter Umständen sogar für Jahrzehnte, auch wenn sich ums Pferd herum alles verändert. Bei mir hat sich mein Leben seit dem Pferdekauf stark gewandelt. Ich bin vor vier Jahren zuhause ausgezogen, wohne in der Großstadt, habe ein leider extrem zeitintensives Studium an der Backe und einen tollen Freund, mit dem ich natürlich ebenfalls Zeit verbringen möchte. Eine Reitbeteiligung habe ich deshalb schon seit zweieinhalb Jahren. Da diese gleichzeitig meine beste Freundin ist, habe ich das stets als tolle Entlastung empfunden. Nachdem ich diesen Sommer noch viel geritten bin und auch öfter auf Turnieren war, merkte ich vor einigen Wochen, dass es so nicht weitergehen kann. Bis 18 Uhr Uni, danach eine Stunde Fahrt zum Stall (abends ist einfach IMMER Stau), schnell das Pferd abfertigen und wieder nach Hause, um nur noch ins Bett zu fallen. Ich hatte schon mittags keine Lust aufs Reiten. Ehrlich gesagt machte mir sogar Joggen auf einmal mehr Spaß als Reiten. Es war nicht nur ein Zeitproblem, ich hatte einfach keine Lust mehr, mich mit Pferden zu beschäftigen. Ich wollte nicht mehr in der Uni hetzen und sämtliche Gespräche abwürgen müssen, um rechtzeitig zum Pferd zu kommen – nur um dann nach dem Umziehen alleine in der dunklen Kälte rumzukriechen, Mash aufzusetzen und irgendwie zu versuchen, mein Pferd vom Matsch zu befreien und das alles, bevor an Reiten auch nur zu denken war. Abgesehen davon, merkte ich, wie mich die Verantwortung mehr und mehr belastete. In meinem Fall liegt das sicher vor allem an der ständigen Angst um die Gesundheit des Pferdes, aber auch der sonstige organisatorische Aufwand war mir mittlerweile einfach zuwider. Es wurde Zeit, ehrlich zu mir selbst zu sein und so musste ich mir eingestehen, dass mein Pferd aktuell einfach nicht die erste Priorität in meinem Leben ist und sein kann. Ich muss mich auf mein Studium konzentrieren und habe nicht die Kraft, nebenbei mehrmals die Woche 3-4 Stunden dem Pferd zu opfern und ich möchte das auch einfach nicht.
Nachdem ich diese Erkenntnis gewonnen hatte, stellte sich natürlich die Frage, wie man damit umgehen soll. Einerseits brauchte ich mehr Zeit für mich und all die anderen Dinge, andererseits trage ich natürlich die Verantwortung für mein Pferd. Ich hoffe weiterhin, dass meine momentane Lustlosiskeit vor allem meinen Lebensumständen geschuldet ist. Ende April steht mein erstes Examen an und danach sieht die Welt hoffentlich wieder besser aus und ich habe wieder genug Zeit, mich ums Pferd zu kümmern, ohne dafür woanders Abstriche machen zu müssen. Ein Verkauf kam daher nicht ernsthaft in Frage, obwohl das wohl die einzige Lösung ist, wie man nicht nur das Reiten, sondern auch die Verantwortung für das Tier „los wird“.
Ich überlegte, sie einem engagierten Mädchen für diese Zeit zur Verfügung zu stellen, nur wo sollte ich so schnell eins herbekommen? In einen anderen Stall umstellen wollte ich jedenfalls nicht, da ich das für ein halbes Jahr dem Pferd nicht zumuten wollte, zumal wir gerade vor wenigen Wochen gewechselt hatten. Das einfachste schien also eine zweite Reitbeteiligung, die 2-3 Tage die Woche übernimmt, sodass ich nur noch selten bis gar nicht reiten muss. Ich war erst etwas unsicher, wie es mit drei Reitern werden sollte, aber da ich in Notzeiten oftmals Beritt hatte oder Freunde habe reiten lassen, kennt mein Pferd das eigentlich. Also fragte ich meine Reitlehrerin, ob ihr jemand einfiele und keine zwei Wochen später hatte ich eine superliebe, motivierte und fähige Reitbeteiligung mehr. Dass das so schnell geklappt hat, war sicherlich Glück, aber für mich ist es so nun wesentlich entspannter. Ich habe einen festen Reittag am Wochenende und einen optionalen Tag in der Woche, sodass ich 1-2 x die Woche auf dem Pferd sitze. Hinfahren und streicheln oder eine zusätzliche Reiteinheit einschieben kann ich natürlich jederzeit – ist ja schließlich meins.
Seitdem ich nur noch selten im Stall bin, freue ich mich jedes Mal darauf und nehme mir bewusst Zeit für mein Pferd. Statt irgendwie schnell und oberflächlich zu putzen, mache ich ganz in Ruhe fertig und kann das sogar genießen. Mein Pferd wird 6-7x die Woche versorgt und nun kommt wirklich jedes Mal jemand, der sich auf sie freut und ihr die Aufmerksamkeit schenkt, die sie auch verdient hat. Ich denke daher, dass diese Lösung in meiner momentanen Lebenssituation für uns beide die beste Wahl war und hoffe, dass es mit den beiden Reitbeteiligungen weiterhin so gut klappt.
Ehrlich gesagt war es trotzdem etwas komisch, diesen Beitrag zu schreiben. Wenn man sich umsieht, hat man oft das Gefühl, für alle anderen Reiter stünde ihr Pferd an allererster Stelle im Leben. Viele verpassen keine Gelegenheit, zu betonen, wie sehr sie ihr Pferd lieben und dass sie wirklich ALLES dafür tun würden, Hauptsache dem Schätzchen geht es so gut wie möglich. Wenn man selber nun in einer Lebensphase ist, wo sich das ALLES fürs Lebewesen nur schwer realisieren lässt (durchs Studium fallen und Hartz IV bekommen hilft dem Pferd ja nun auch nicht weiter), fühlt man sich daher schnell als Rabenmutti, die das arme Geschöpf nicht genug wertschätzt… Wie seht ihr das und vor allem wie ist eure Einstellung zu eurem Pferd? Steht es über allem oder gibt es unter euch vielleicht auch Leute, die andere Prioritäten haben?
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