Cathy schrieb vor einiger Zeit in ihrem Artikel, dass ihre derzeitigen Lebensumstände es nicht mehr zulassen, dass ihr Pferd an erster Stelle steht. Das hat mich sehr zum Nachdenken angeregt und ich habe mir überlegt, dieses Thema aus meiner Sicht noch einmal aufzunehmen.
Ich reite eigentlich schon, seitdem ich denken kann. Mein erstes eigenes Pony bekam ich mit 6 Jahren und lernte mit dem Shettywallach, der leider chronisch an Hufrehe und Bronchitis erkrankt war, von Anfang an sehr viel Verantwortung zu tragen. Die ersten Jahre hatte ich meine Mutter meist an meiner Seite und sie half mir so gut es ging, auch ohne Pferdewissen. Da sie allerdings schon immer sehr viel arbeiten musste und mich im Stall gut aufgehoben wusste, wurde der Pferdestall für mich ab einem Alter von 10 Jahren wie mein zweites Zuhause. Ich hatte meine damaligen besten Freunde direkt vor Ort und übernachtete nicht selten die kompletten Schulferien bei meiner Freundin am Hof. Wir verbrachten die meiste Zeit mit unseren Pferden, malten uns gemeinsam die Zukunft aus, liefen wie Dressurpferde über den Reitplatz und hatten einfach eine unbeschwerte Kindheit. Das war sehr prägend und vermutlich auch der Grund, weshalb ich nie so richtig von den Pferden weg gekommen bin.
Auch in der späteren Jugend war ich ein eingefleischtes Pferdemädchen, ich hatte zwar auf meiner Federtasche keine rosa Barbie-Pferde und interessierte mich durchaus auch für andere Dinge, allerdings gab es einfach nichts, was auch nur annähernd so wichtig für mich war, wie das gemeinsame Leben mit dem Pferd. Nichts konnte mich so auslasten und auch gedanklich so erfüllen. Die Schule lief so nebenher und ich weiß heute, dass ich damals mit mehr Disziplin sicher auch Hobby und Schule besser unter einen Hut bekommen hätte, aber so wie viele Jugendliche, konnte ich mich einfach nur für mein Hobby begeistern und ließ die Schule schleifen.
Mein Studium war relativ ausgeglichen. Ich hatte zwar immer wieder Phasen, in denen ich viel zu tun hatte und auch weniger Zeit fürs Pferd, aber die habe ich einfach überbrücken können indem das Pferd dann auch mal 2-3 Tage nichts getan hat außer auf der Weide zu stehen und das Gras zu fressen. Kurz vor meinem Diplom habe ich mir dann auch noch einen Hund angeschafft und habe meine Arbeitspausen mit Spaziergängen mit Hund und Pferd genutzt, um mich wieder zu entspannen, den Kopf frei zu bekommen und mit neuen Ideen zurück an den Schreibtisch zu kommen. Es ging jedenfalls immer irgendwie und an den Tagen, an denen es mal nicht ging, ging es dann einfach nicht und ich ließ das Pferd Pferd sein.
Reitbeteiligung zur Entlastung kam für mich nach einigen unschönen Erfahrungen nicht mehr in Frage. Ich habe es durchaus probiert, aber für mich festgestellt, dass es einfach Pferde gibt die mit unterschiedlichen Reitern nicht klarkommen. Am Ende war es für mich keine Entspannung mehr im Stall und die Reitbeteiligungen keine Entlastung. Ich habe mich ständig gefragt, was genau mit meinem Pferd in der Abwesenheit veranstaltet wurde und wieso es zusehend unrittiger wurde? Ich habe angefangen Kontrollbesuche abzustatten und mich dann irgendwann dafür entschieden, dass es mit mir und den Reitbeteiligungen nicht klappt. Vielleicht bin ich zu anspruchsvoll, vielleicht bin ich auch einfach nur zu faul gewesen, nach dem richtigen Reiter zu suchen. Rückblickend waren aber alle Entscheidungen die richtigen und ich hatte am Ende mehr vom Pferd, meiner Entspannung und dem Spaß, ohne eine weitere Person an meinen Tieren.
Die knappe Zeit ist heute allerdings ein Thema, welches mich oft an meine Grenzen stoßen lässt. Besonders die Pflege meiner Freundschaften außerhalb des Stalls neben einem Vollzeitjob, den Pferden, meinem Hund und Lebenspartner zu vereinbaren, fordert wirklich gnadenlose Disziplin. Oft gibt es Tage, da würde ich am Abend gerne einfach kaputt aufs Sofa fallen statt Freunde zu treffen, aber natürlich gibt es Menschen, die immer für mich da sind und denen ich das selbe zurück geben möchte. Mit den Jahren haben sich meine Freunde sehr verteilt, einige haben Kinder, wohnen außerhalb Hamburgs oder stehen in anderen Ställen. Zwischen all den Menschen und Pferden kein Ungleichgewicht aufkommen zu lassen, ist oft schwierig. Gott sei Dank habe ich mittlerweile viele wunderbare tolerante Menschen in meinem Leben und die meisten versuchen, meine Prioritäten zu verstehen und begleiten mich sogar manchmal mit in den Stall, auch wenn sich die Faszination Pferd bei ihnen in Grenzen hält! Ich denke, um den Wert solcher Freunde zu erkennen, musste ich erst ein gewisses Alter erreichen und auch einige unschöne Erfahrungen mit vermeintlichen Freunden machen. Inzwischen weiß ich jedes kleine bisschen Verständnis von Nicht-Pferdemenschen sehr zu schätzen!
Wir haben auch im Horsediaries-Team darüber gesprochen und es kam die Frage auf, wie ich mich Tag für Tag motivieren kann, meistens noch früh vor der Arbeit, in den Stall zu fahren. Durch meine Selbstständigkeit kann ich in einem engen Zeitrahmen auch noch vor der Arbeit in den Stall. Also bin ich meistens ab 6 Uhr in der Früh auf den Beinen und habe den Stall als erstes auf meiner täglichen To-do Liste. Meine Tage sind unterschiedlich stressig, je nachdem was in der Firma ansteht. Manchmal muss ich mich im Stall abhetzen und genau an diesen Tagen geht meistens alles schief, was so schief gehen kann. Aber meine Kollegen wissen schon, dass es sich meist nur um ein Malheur handelt, wenn ich mit einer aufgeplatzten Lippe (böse Mistforke) oder humpelnd (alte Pferde können auch Angst vor Stromzäunen haben) ins Büro schneie. Ich stehe jedenfalls gerne früh auf, um in den Stall zu fahren. Wenn es im Büro nämlich mal wieder länger dauert, ein Termin dazwischen kommt oder sonst irgendwas sonderbares passiert, brauche ich kein schlechtes Gewissen haben, weil ich die beiden Pferde bereits versorgt weiß. Die Zeit im Stall mit den Pferden ist wertvoll. Ich kann meistens meinen Alltag vergessen, mich körperlich auslasten und eine gewisse Zeit an der frischen Luft verbringen. Ein weiterer großer Aspekt sind natürlich auch enge Freundschaften, die sich im Stall entwickelt haben. Für mich ist diese Zeit wie ein Geschenk, eine Zeit, in der ich ausgelassen sein kann und Freunde an meiner Seite habe, die mich auf Grund des gemeinsamen Hobbys so sehr verstehen, wie es andere eben nicht können. An Tagen, an denen ich nicht im Stall bin, fehlt mir etwas und ich erwische mich häufig dabei, wie ich mir die Frage stelle, ob wohl alles in Ordnung ist, ob nicht einer der Stuten eine neue Schramme hat und ob ich sonst vielleicht irgendwas verpasse.
Es ist also ein großes Ganzes, was mein Leben für meine Pferde ausmacht und mich gerne 6-7 Tage die Woche in den Stall fahren lässt. Auch wenn ich mal nicht so motiviert bin, es lohnt sich am Ende doch immer für die Pferde und das innere Gleichgewicht, aufzustehen und meinen inneren Schweinehund zu überwinden.
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