Dressur, Haltung, Pferde, Reiten, Springen, Umgang, Vielseitigkeit
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Wie aus Flegeln Freunde werden

Wer schonmal ein junges Pferd über einen längeren Zeitraum geritten hat, weiß worum es geht, wenn über die „Flegelphase“ gesprochen wird. Das bisher eigentlich ganz artige Pferd kommt auf dumme Gedanken, testet seine Grenzen in all seine Richtungen aus und treibt seinen Reiter dabei derweil in den Wahnsinn.

Mein Pferd und ich feiern dieses Jahr unser 10jähriges. Wir können dabei auf 10 Jahre zurückblicken, die anfangs eher einem Leidensweg durch sämtliche Flegelphasen glichen. Als ich ihn 4jährig ausprobierte, stempelten wir ihn alle als sehr nervenstark ab. Schließlich marschierte er artig auf dem Viereck außen rum während nebenan Kinder spielten, Plane flatterte und ein Pferd auf einem Longierplatz, der zwar in Hör- aber nicht in Sichtweite war, longiert wurde. Für ein so junges Pferd eine beachtliche Leistung und daher wohl auch geeignet für ein 13jähriges durchaus reiterfahrenes Mädchen.

Im ersten Winter fingen dann die Sperenzchen an: Gruselige Monsterecken an jeder Hallentür. Egal in welcher Halle wir waren. Nur rechte Hand. Da aber immer. Weil er aber ansonsten recht vernünftig ging, verzichteten wir darauf, uns mit ihm anzulegen und mieden die Hallentüren vorerst. Ziel war, zunächst eine gewisse Rittigkeit und Durchlässigkeit zu erarbeiten. So wollten wir vermeiden, dass wir an mehreren Baustellen gleichzeitig arbeiten mussten: der Glotzecken an den Hallentüren und der noch nicht immer gefestigen Durchlässigkeit. So kamen wir erst einmal ganz gut voran.

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Auch draußen gibt es genügend Gelegenheiten zum „Glotzen“.

Bis zum Sommer kamen wir recht gut voran, draußen konnte man mit ihm wesentlich besser arbeiten, in der Halle spukten immer noch Gespenster. Die ersten Turniere waren wenig zufriedenstellend, meistens kam ich bis X, manchmal bis kurz vor die Richter, oft nicht einmal auf den Hufschlag, manchmal wurden wir abgeklingelt oder verließen unfreiwillig das Viereck.

Die darauffolgenden 2-3 Winter waren mehr und mehr geprägt von Widersetzlichkeiten, bei denen ich nicht selten unfreiwillig den Sattel verlassen musste. Das passierte in der Regel, wenn er glotzte, ich mich durchsetzen wollte, er das nicht respektierte, umdrehte und wahlweise bockte oder losrannte oder beides. Ca. 7jährig wurde es dann besser.

Die Sommer waren immer wesentlich angenehmer, die Turniere wurden zufriedenstellender, auch wenn immer noch sehr dolle Eskapaden dabei waren. So wurden wir in unserer ersten L-Saison mehrmals abgeklingelt, weil er Kehrtvolten im Galopp überflüssig fand und dann einfach gebockt hat. Außerdem glotzte er sich in manchen Vierecken derart die Augen aus, dass ich verzichtete und an manchen Tagen hatte er schreckliche Angst vor den Pferden, die ihm in den gegeneinander gerittenen Prüfungen entgegen kamen.

Was uns letztlich dabei geholfen hat, aus diesem Flegel einen Freund zu machen, war glaube ich, dass wir immer einfach weiter gemacht haben und ihn nicht nur mit Dressur „gequält“ haben. Er hat sich nie widersetzt, wenn es um irgendwelche Dinge ging, die er lernen sollte oder die verbessert werden sollten. Meistens hatte er einfach gerade grundsätzlich keinen Bock. In den Turnierprüfungen war die Unwilligkeit meistens Aufregung gepaart mit Anstrengung, der er sich entziehen wollte. Damit er sich auf den Turnieren weniger aufregen musste, wurde im Sommer immer soviel es ging ausgeritten. So wurde er mit verschiedenen Sachen konfrontiert, die uns teilweise auch vor große Aufgaben stellten. Steine am Wegesrand? Da vorbei? NIEMALS! Radfahrer und Fußgänger oder sogar Autos, an denen man artig vorbei gehen sollte, waren weitere Aufgaben. Das Gelände ist nicht wie eine Halle jeden Tag gleich – auch ein Viereck kann nicht so viel Abwechslung bieten wie ein Ausritt.

Abwechslung bieten also – aber gepaart mit der nötigen Portion Konsequenz in der Arbeit. Frei nach dem Motto: lieber einmal weniger, dafür aber ordentlich. Das soll nicht heißen, dass das Pferd in diesen Einheiten gar gekocht werden soll, es muss aber lernen, dass auch gearbeitet wird, wenn gearbeitet werden soll. Mein Pferd hat gelernt, dass es auch mal Ärger gibt, wenn er Ärger macht.

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Schlagen nach dem Schenkel oder der Gerte

Solche Eskapaden werden entsprechend gemaßregelt, aber niemals ungerecht dem Pferd gegenüber. Ich persönlich nutze sehr, sehr ungern das Wort „Strafe“ im Zusammenhang mit Unfug, den das Pferd angestellt hat. Schlägt das Pferd wie auf dem Foto nach dem Schenkel oder nach der Gerte ist in einem solchen Moment Attacke nach vorn angesagt: Kräftiger Schenkeldruck statt harte Parade mit der Hand. Reagiert das Pferd nach vorn – loben. Was ich weder bei Glotzen noch bei Ausschlagen oder Durchstarten sinnvoll finde ist ein abruptes Anhalten, welches man leider aber oft beobachten kann. Um solche Dummheiten zu vermeiden, sollte man durch abwechslungsreiche Arbeit versuchen die Konzentration des Pferdes auf sich zu lenken.

Für die Turnierprüfungen hat uns das aus den Ausritten gewonnene und über die Jahre gewachsene Vertrauen am meisten geholfen. Mein Pferd hat verstanden, dass er mir folgen kann und dass ihm da nichts passiert. Das hat er unter anderem bei unseren Ausritten gelernt und konnte dann mehr und mehr auf Turniersituationen übertragen werden. Nach und nach konnte ich auf den Turnieren auch mit netter Konsequenz sagen „Komm, los geht’s, wir machen das jetzt.“

Wer sich nicht traut auszureiten, sollte sich Gedanken um anderweitige Abwechslung für das Pferd machen. Manche Reiter sehen Spaziergängen an der Hand entspannter entgegen als Ausritten. Das sollte man aber nur machen, sofern das Pferd am Boden wirklich gehorsam ist und ausgeschlossen ist, dass das Pferd sich erschreckt und dann auf und davon macht. Ich persönlich bin ausgeritten und dann lieber zwischendurch abgestiegen, weil das Vertrauen von meinem Pferd in mich am Boden größer war. Ich habe mich aber im Sattel immer wesentlich sicherer gefühlt als am Boden – wenn er losgedüst ist, saß ich dann wenigstens drauf und musste nicht hinterher laufen. Man sollte sich bewusst sein, dass ein Spaziergang zwar geistige Abwechslung ist, meine Erfahrung hat aber gezeigt, dass kaum ein Pferd dadurch voll ausgelastet ist. Zusätzlich kann man dem Pferd mit z.B. mit Longieren oder Bodenarbeit weitere Abwechslung bieten.

Konsequenz – wie bereits angesprochen das zweite Schlüsselwort, um aus dem Flegel einen Freund zu machen. Man muss zwar auch hier und da mal einen Kompromiss eingehen, z.B. um wie oben beschrieben nicht an zwei Baustellen gleichzeitig arbeiten zu müssen. Wird das Pferd aber unnötig frech, indem es beispielsweise unkontrolliert losschießt, weil es meint, es habe sich gerade fürchterlich erschrocken, darf es auch spüren, dass dies nicht richtig war. Dabei ist das oberste Gebot aber natürlich: Niemals grob werden! Konsequenz ja, Gewalt nein.

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Konzentration. Konzentration ist bei den jungen, manchmal widerspenstigen Biestern meistens nicht so wahnsinnig hoch im Kurs. Deswegen ist es umso wichtiger, darauf zu achten, dass man als Reiter versucht, das Pferd dazu zu bringen, dass es sich auf den Reiter konzentriert. Je mehr sich das Pferd auf den Reiter konzentriert, desto weniger lässt es sich von der Umwelt oder sonstigen Dingen wie hustenden Flöhen, Staubkörnern oder Strohhalmen ablenken. Konzentration halten ist manchmal leichter gesagt als getan, denn man muss als Reiter vorausschauend denken, sich überlegen, mit was man das Pferd beschäftigt, wenn es beginnt unkonzentriert zu werden. Und ganz wichtig ist auch hier: Fordern, aber nicht überfordern. Junge Pferde sind vergleichbar mit Kindern – die Konzentration ist in der Regel irgendwann vorbei. Es ist wichtig, den richtigen Punkt zum Aufhören zu finden. Bis dahin sollte darauf geachtet werden, dass das Pferd permanent beschäftigt ist. Damit ist Arbeit für den Kopf gemeint. Viele Pferde können ewig traben und galoppieren und trotzdem ist ihnen dabei eigentlich langweilig. Gebogene Linien, viele Handwechsel, je nach Ausbildungsstand Seitengänge und schnelle Übergänge sind gut geeignet, um die Konzentration zu halten.

Neben all diesen schlauen Ratschlägen, wie man das Leben eines Jungspundes so abwechslungsreich gestalten kann, dass er im besten Fall unterm Sattel artig ist, darf man nicht vergessen, dass viele Dinge auch haltungsbedingt entstehen. Ein junges Pferd braucht viel Auslauf, im besten Fall eine Herde, in die es gut integriert ist, in der auch mal getobt wird, so dass das Pferd auch in seiner „Freizeit“ schon z.T. körperlich ausgelastet ist. Alle meine jungen Pferde waren in größeren Gruppen draußen, haben viel getobt und gespielt und waren dadurch im Umgang schonmal ausgeglichen – dass das Reiten auf einem anderen Blatt steht, ist dennoch klar. Aber mit einem Pferd, welches immerhin viel Auslauf und Kumpels hat, lässt es sich meiner Erfahrung nach ein bisschen besser arbeiten.

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Abschließend bleibt noch zu sagen: Alle netten Worte, guten Ratschläge und schlauen Anweisungen helfen auf den ersten Blick wenig, wenn man sich gerade mit einem Flegel herumschlagen muss. Mein Pferd ist wohl ein besonders ausgeprägtes Exemplar gewesen, das einige Nerven, Tränen und auch ein paar blaue Flecken gekostet hat. Aber ich kann nach diesem mittlerweile 10 Jahren sagen, dass inzwischen die Jahre überwiegen, in denen er das sicherste und tollste Pferd ist, das ich mir vorstellen kann. Ich kann mich nahezu überall auf ihn verlassen: im Gelände, im Parcours, im Dressurviereck…. Viele Erfolge, ob nun sportlich oder einfach bezogen auf sein Verhalten, sind mir besonders viel wert, weil ich weiß, wie viel harte Arbeit, Schweiß und Tränen dadrin stecken. Aber wenn er heute nicht einmal bei einem Trecker zur Seite springt, der während eines Ausritts ein Feld düngt und ihn auch die während der Dressurprüfung aufgespannten Regenschirme kalt lassen, weiß ich, dass sich jede Minute, die ich investiert habe, gelohnt hat.

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