Seitdem ich vor einigen Wochen mein erstes Staatsexamen abgeschlossen habe, hat sich mir eine völlig neue Welt eröffnet. Ich. habe. ZEIT. Ganz viel davon! Bis 10 Uhr schlafen, gemütlich frühstücken und danach ganz in Ruhe in den Stall. Das einzige, was mich hetzt, sind mein Magen (alle 3 Stunden braucht er neues Futter) und die Kuscheldecke zuhause auf dem Sofa… Ein Träumchen!
Die letzten Jahre hatte ich dieses Privileg jedoch nur äußerst selten, da ich immer für irgendetwas lernen musste, neben dem Studium gearbeitet habe und auch noch ehrenamtlich aktiv war. Die Studenten unter euch kennen sicher das Problem: Man hat eigentlich nie so richtig frei, denn selbst am Wochenende oder in den Ferien gibt es noch irgendetwas, was man eigentlich machen müsste und was einem ein schlechtes Gewissen beschert. Ich habe deshalb in stressigen Phasen versucht, meinen Tag möglichst gut durchzuorganisieren und die Zeit im Stall effektiv zu nutzen. Daher kommen hier meine Tipps, wie das Reiten auch mit kleinem Zeitfenster möglich wird, auch wenn man nicht wie unsere Autorin Theresa auf dem Foto „nur mal eben über die Weide galoppieren“ will, sondern trotz knapper Zeit ein bisschen mit seinem Pferd arbeiten möchte.
Plant eure Anfahrt
Wenn ihr wie ich in einer Großstadt lebt, kennt ihr das Problem… Abends ab 16:30 ist stadtauswärts kein Durchkommen mehr. Ich versuche deshalb, sofern möglich, immer antizyklisch zu fahren. Morgens bis früher Nachmittag oder spät abends sind die Fahrten viel entspannter und ich brauche tatsächlich nur die Hälfte der Zeit. Wenn ihr also Gleitzeit habt oder euch den Tag flexibel einteilen könnt, versucht die Stoßzeiten zu umgehen. Ich kenne einige Leute, die z. B. einmal die Woche eine verlängerte Mittagspause zum Reiten nutzen oder einen bestimmten Tag später mit der Arbeit anfangen, um morgens reiten zu können. Außerdem kann es viel Zeit sparen, sich im Büro/in der Uni umzuziehen und von dort aus direkt zum Reiten zu fahren. Auch wenn es etwas unbequem ist, kommt man doch schneller ans Ziel. Zumindest bei mir wird der Umzieh-Aufenthalt zuhause nämlich doch immer etwas länger als geplant…
Lasst das Handy im Auto
Simpel und sehr effektiv. Ihr kommt weder in Versuchung, Tante Ernas Anruf anzunehmen noch der besten Freundin zurückzuschreiben oder ein Selfie im neusten Pikeur Outfit zu schießen.
Kurze Wege, sichere Handgriffe
Ich habe seit meinem Stallwechsel festgestellt, dass es einen enormen Unterschied macht, was für Wege man im Stall zurücklegen muss. Im alten Stall hatte ich Sattel und Trense in der Sattelkammer, Putzzeug und Stiefel im Schrank, Futter auf dem Futterboden und das alles in verschiedenen Richtungen jeweils 50m von der Box entfernt. Das wirkt auf den ersten Moment zwar wenig, aber spätestens wenn man mal wieder vergessen hat, den Messbecher zurück in den Futtereimer zu legen und den ganzen Weg zum Futterboden wieder zurücklaufen muss, kommen einige Minuten zusammen.
Derzeit habe ich sowohl meinen Schrank mit allen Utensilien als auch das Zusatzfutter in der Sattelkammer direkt neben der Box. Alles hat seinen festen Platz und ist sofort verfügbar. Seitdem bin ich bis zu 30 Minuten schneller fertig und das heißt, mehr Zeit zum Kuscheln und Tüddeln! Der Standort der Sattelkammer und der Schränke ist daher auf jeden Fall etwas, das ich bei der Boxenauswahl berücksichtigen würde.
Hopp‘ aufs Pony!
Ich versuche immer, wenn ich im Stall angekommen bin, möglichst schnell aufs Pferd zu kommen, damit ich nach hinten raus mehr Zeit habe. Sachen wie Abäppeln, Lederzeug putzen oder Schweif verlesen mache ich grundsätzlich nach dem Reiten. Denn wer erstmal anfängt zu tüddeln, hört meistens so schnell nicht mehr auf… Ich gehe also schnurstracks zum Schrank, ziehe meine Stiefel an und lade alles, was ich brauche möglichst gleichzeitig auf die Arme und bringe es zur Box. Dann erst wird das Pferd begrüßt. Wenn ich sehr wenig Zeit habe, mache ich komplett in der Box fertig. Ich benutze nur einen Striegel und meine Lieblingskardätsche und kratze natürlich die Hufe aus. So sitze ich 15 Minuten nach Ankunft im Stall auf dem Pferd!
Effektive Lösungsphase
Anstatt eine Viertelstunde im Schritt am hingegebenen Zügel außenrum zu zuckeln, nutze ich bereits die Schrittphase zum Lösen. Schenkelweichen, Traversalen, Schritt-Halten und Renvers sind Lektionen, die man mit dem (gut ausgebildeten) Pferd auch bereits im Schritt erarbeiten kann. So hat man sich eine gewissen Stellung, Biegung und vor allem Schenkelgehorsam bereits vor dem ersten Antraben gesichert.
Konzentrierte Arbeitsphase
Wenn ihr wisst, dass ihr heute nur wenig Zeit zum Reiten habt, nehmt euch nicht zu viel vor, sondern konzentriert euch auf ein, zwei Sachen, die ihr üben möchtet! Nehmt dabei die Lektionen, die ihr und euer Pferd gut und sicher beherrscht in den Fokus und arbeitet lediglich an Feinheiten. Die Erarbeitung neuer Lektionen ist für einen schnellen Reittag nicht geeignet, da Zeit und Geduld hierfür enorm wichtig sind. Bringt euch nicht in die Gefahr, mit einem blöden Gefühl absteigen zu müssen, weil es nicht so geklappt hat wie ihr wollet, aber keine Zeit für weiteres Üben vorhanden war.
Schritt führen statt Reiten
Wenn ich weiß, dass ich wenig Zeit habe, führe ich nach dem Reiten lieber trocken. Es ist nicht nur angenehmer für das Pferd, sondern hat den Vorteil, dass man vorher absatteln kann. So kann im Sommer die Schabracke bereits in der Sonne trocknen, während ich noch Schritt gehe und im Winter kann das Pferd ohne Sattel deutlich schneller abschwitzen.
Nicht anquatschen lassen!
Das klingt jetzt vielleicht schrecklich unsympathisch, aber ich mag es wirklich gar nicht, wenn ich an stressigen Tagen im Stall noch vollgelabert werde. Die wenige Zeit im Stall gehört ausschließlich meinem Pferd und mir! Daher setze ich dann gerne den Tunnelblick auf, grüße natürlich freundlich lächelnd, aber versuche mir keine langen Gespräche aufzuhalsen. Kleiner Tipp dazu: Auf „Hallo, wie geht’s?“ bereits mit „Eigentlich super, ich habe nur total wenig Zeit heute… Wir sehen uns ja am Wochenende!“ antworten und weiterrennen. Dann wissen die anderen Bescheid und der zehnminütige Monolog über Cherrys Mauke und die schreckliche neue Reitlehrerin kommt im besten Fall gar nicht erst ins Rollen.
Zu guter Letzt jedoch das allerwichtigste: Tief durchatmen! Ihr seid am schönsten Ort der Welt und habt alles Recht, euch eine Auszeit vom Alltagsstress zu gönnen. Nehmt euch so viel Zeit wie eben möglich und genießt sie ganz bewusst.
Das waren also meine ganz persönlichen Tipps, wie man auch mit wenig Zeit möglichst viel vom Pferd haben kann. Vielleicht habt ihr noch Ergänzungen? Schreibt eure eigenen Tipps gerne in die Kommentare, ich würde mich freuen!
PS: Alle, die diese Probleme nicht haben und es vielleicht verwerflich finden, sich im Stall zu beeilen – ich beneide euch von ganzem Herzen!
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