Zugegeben, der Titel vom letzten Tagebucheintrag des Zausels war ein bisschen reißerisch. Um Missverständnisse von vorn herein auszuschließen kläre ich euch lieber gleich auf: Nein, ich kaufe kein neues Pferd. Aber ich bin wirklich ein echtes Dressurpferd zur Probe geritten. So ein richtiges Turnierpferd, eins, das S läuft.
Ich durfte nämlich Annas Püppi reiten, weil sie nicht da ist und das gute Tier bewegt werden soll. Obwohl wir im gleichen Stall stehen, habe ich tatsächlich bisher noch nie auf Püppi gesessen, es hat sich irgendwie noch nicht ergeben. Nun aber meine große Chance, Anna irgendwo in der Welt unterwegs und Püppi allein im Stall. Der Zausel mit Ei auf dem Bein auf der Weide und ich seit fast 8 Wochen nicht mehr auf dem Pferd.
Das stimmt nicht ganz, ich bin Sam zwischendurch geritten, aber auch nur dreimal und das reicht definitiv nicht aus, um die Kondition aufrecht zu erhalten.
Ehrlich gesagt war ich ein klein wenig aufgeregt, ob wir beiden so zurecht kommen würden, ob Anna mit meinem Gereite zufrieden sein und mich auch alleine auf Püppi lassen würde. Immerhin lässt man ja nicht jeden dahergelaufenen Reiter auf sein Turnierpferd, mit dem man nächstes Wochenende auch noch S starten möchte.
Wenn man ein Pferd oft von unten sieht, sein tägliches Training schon seit ein paar Jahren mitverfolgt, die Entwicklung kennt, aber noch nie selbst drauf gesessen hat, hat man meist doch eine Vorstellung davon, wie es sich wohl anfühlen müsste, wenn man draufsitzt. Bei Püppi hatte ich auch so meine Vorstellung, ich sehe ihr unheimlich gerne zu, habe schon oft ihre Fortschritte bewundert, die mega Trabverstärkung bestaunt, aber auch die ein oder andere Schwäche beobachtet. Dass sie ein geniales Pferd mit wirklich viel Qualität ist, ist natürlich völlig klar, und dass man gern mal auf so einem Pferd sitzten würde, auch. Aber ich habe sie auch immer für ein bisschen schwierig gehalten, was zum einen an ihrer wirklich vollkommen hysterischen Guckigkeit liegt, zum anderen habe ich sie aber auch immer für etwas speziell und zickig gehalten, typisch Stute. Ich habe also immer gedacht, ein geniales Pferd, für das man aber auch echt reiten können muss. Also eher so ein Gerät, das ich niemals bedienen können würde.
Und dann soll ich da also rauf, wo ich doch 8 Wochen gar nicht auf dem Pferd gesessen habe und es eh nicht so mit zickigen Stuten habe. Na das kann ja was werden.
Anna hat Püppi erst ein wenig gelöst, ehe ich aufgestiegen bin. Erster Eindruck: Fühlt sich viel schmaler an, als sie von unten wirkt. Da wirkt sie nämlich immer unheimlich stark bemuskelt und fast ein wenig bullig für eine Stute. Sitzt man drauf, ist es aber wirklich ein schmales Pferd, den Eindruck könnte aber auch verschärft haben, dass ich vorher dreimal Sam geritten war, die nun wirklich alles andere als schmal ist. Im Schritt anreiten funktionierte schon mal gut. Nach zwei Runden zur Eingewöhnung bin ich direkt angetrabt, sie war ja schließlich schon aufgewärmt. Huch, das fühlte sich dann doch ungewohnt an, der Hals relativ kurz im Vergleich zum Zausel (der einen wirklich sehr langen Hals hat) und die Verbindung zum Maul ganz schön stramm. Das kenne ich so vom Zausel auch überhaupt nicht, der ist zu Anfang immer viel zu leicht in der Verbindung und man muss in der Lösungsphase erstmal daran arbeiten, ihn ans Gebiss zu bekommen. Die ersten zwei Runden hatte ich das Gefühl, sie gar nicht wirklich ans Band zu bekommen, außerdem kürzte sie alle Ecken so ab, dass wir nicht mal an den Hufschlag der kurzen Seite kamen. Was für eine peinliche Vorstellung, hockt sich auf ein S-Pferd und bekommt es nicht mal außenrum geritten. Aber bevor man sich Gedanken darum macht, ob das nun peinlich ist oder nicht, sollte man es vielleicht erstmal mit reiten versuchen und nicht nur ehrfürchtig wie ein Äffchen auf dem Rücken klammern und gar nichts tun. Also kurz mal konzentriert, äußerer Zügel, inneres Bein und voila, Püppi weiß was man von ihr möchte. Das Reitgefühl besserte sich direkt mal um ein vielfaches und ich fühlte mich nicht mehr wie Herr Nielson in der Manege.
Noch ein paar Runden mehr, Anna mit dem Ceecoach im Ohr und das ganze fing an richtig Spaß zu machen. Aber wirklich so richtig! Erstmal haben wir uns ein bisschen durch Tempounterschiede und Übergänge rangetastet: wie deutlich muss ich die Hilfen geben, auf welche Hilfen reagiert sie am besten, wie bekomme ich die Verbindung ein bisschen leichter, Püppi ein bisschen mehr aufs Hinterbein. Die ersten Hilfen waren etwas zaghaft, sich ein kleines bisschen mehr zutrauen und zack, es funktionierte und dann verstand auch Püppi besser, was ich von ihr wollte.
In der Galopparbeit ließ mich Anna dann nach ein paar mal zulegen und zurück nehmen durch die halbe Bahn wechseln, mit fliegendem Wechsel. Oh ha, die wills ja wissen!
Beim Zausel muss man jeden einzelnen Wechsel wirklich ganz akribisch vorbereiten und oft gelingt er trotz großer Bemühungen meinerseits dann doch nicht. Oder sehr verzögert. Schon aus der Ecke raus habe ich mich also gedanklich auf den anstehenden Wechsel vorbereitet, versucht auch das Pferd möglichst sauber auf den Wechsel vorzubereiten und dann der Moment: Hilfe geben und plopp, Püppi springt um als wäre es das normalste der Welt. Wahnsinn! Das macht vielleicht einen Spaß! Sowas von easy peasy, die Wechsel kann man gefühlt in jeder Lebenslage abrufen. Schwieriger ist es dann schon, im Galopp durch die ganze Bahn wechseln, dabei zuzulegen, OHNE Wechsel. Den nimmt sie gern mal vorweg und weil er ihr sowas von leicht fällt, sie quasi ganz ohne vorherige Antäuschungsphase einfach so umspringt, kann man ihn kaum verhindern. Dafür springt sie aber auch genau so easy peasy wieder zurück, man kann sein Missgeschick also ganz gut vertuschen und so tun, als wäre nichts passiert. Wechsel? Was? Hab gar nichts bemerkt pfeif
Nach der Galopparbeit sollte ich dann noch ein bisschen Trabarbeit machen, durch die gute Vorarbeit im Galopp war Püppi wie von Zauberhand schon viel gesetzter und aufgerichteter. Ein bisschen Schulterherein an der langen Seite, der erste Versuch war noch etwas zaghaft, der zweite schon viel besser, ein paar Volten und dann sollte ich mal eine Traversale versuchen. Also auf die Mittellinie abbiegen und schräg rüber. So oder so ähnlich machen der Zausel und ich das zumindest, irgendwie seitwärts wieder zurück zum Hufschlag, alles andere geht uns dabei meist noch flöten aber hey, seitwärts ist immerhin schon mal seitwärts. Püppi kann aber so schön seitswärts, dass man dabei tatsächlich noch auf allerhand andere Sachen achten kann, es schnurt ganz selbstverständlich schräg rüber und trabt danach genauso fein weiter wie davor. Toll!
Bei herrlichstem Wetter und viel zu warmen Temperaturen für den September verließen mich allmählich die Kräfte und eigentlich wollte ich schon aufhören, als Anna mir zurief „Los, wenigstens eine Verstärkung musst du im Trab reiten!“ Uff, dass so kurz vor Schluss und eigentlich schon völlig k.O., Trabverstärkungen gehören alleine wegen des Sitzkomforts eher nicht so zu meinen Lieblingslektionen. Aber einmal fühlen wie das so ist, wenn einer so richtig die Lampen austritt wollte ich dann ja doch. Also noch mal alle Kräfte mobilisiert und die Diagonale angesteuert. Hach ja, nur fliegen ist schöner! Rumpelt auch viel weniger als ich dachte, Püppi nimmt einen toll mit und lässt sich auch geschmeidig zurück führen.
Ganz beseelt und glücklich, aber auch wirklich völlig fertig bin ich vom Pferd gestiegen, von einem Ohr zum anderen grinsend. Ich reite einfach wirklich gern Dressur und mit so einem Pferd macht das natürlich ganz besonders viel Spaß. Püppi ist viel einfacher und unkomplizierter als ich dachte und hat sich wirklich kein bisschen zickig gezeigt. Und das Beste: Ich durfte sogar am nächsten Tag noch mal reiten und hatte noch mal genau so viel Spaß.
Anna hat auch ein paar Sequenzen von uns gefilmt, die ihr sicherlich gern sehen möchtet. Ich selbst habe das Video erst gesehen, nachdem ich diesen Artikel geschrieben habe. Sonst wäre ich wohl mehr darauf eingegangen, dass ich ganz schön nach hinten über kippe, deutlich über Tempo unterwegs bin, zurück nehmen oder gar Versammlung wirklich nur mit viel Fantasie zu erahnen sind. Reitvideos von sich selbst sind etwas gemein ernüchterndes, das fühlte sich in echt alles irgendwie besser an. Nach dem ersten kurzen Schock und dem Drang, das Video sofort aus der Öffentlichkeit des Internets verschwinden zu lassen, hab ich mich kurz besonnen und bin zu dem Entschluss gekommen: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Ich weiß, was ich das nächste mal besser machen kann und so kann man das Video auch zur Motivation und zum Lernen nutzen. Das könnte ich natürlich auch, ohne es euch zu zeigen, aber vielleicht könnt ihr ja auch noch etwas lernen. Und sei es nur, dass sich auch ein top ausgebildetes S-Pferd nicht von alleine reitet und ihr den lieben Stallkollegen, die sich ja „einfach nur einen Selbstläufer gekauft haben“ ein bisschen mehr Respekt zollt. Denn auch der Selbstläufer will gut geritten und bedient werden, sonst sieht es nämlich aus wie in dem Video von Püppi und mir:
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