Ich erinnere mich noch gut an den Artikel, den ich vor zwei Jahren schrieb und euch dort berichtete, wie gern ich mein Leben für die Pferde aufopfere. Ich erinnere mich an jede freie Sekunde, die ich mit Freunden vor oder nach der Arbeit im Stall verbrachte und ich mir gar nicht vorstellen konnte, wie ein „normales Leben“ funktionieren würde. Nicht selten baten mich Miteinsteller hier oder da auszuhelfen, morgens bei dem einen Pferde die Decke ab zu nehmen oder abends bei dem anderen die Stallgamaschen anzulegen. Ich war schließlich immer irgendwie im Stall. Was aber, wenn sich die Prioritäten ändern? Wenn man gar keine andere Chance hat, als plötzlich auf dem Boden der Tatsachen zu stehen und zu bemerken, dass es doch noch ganz andere, wichtigere Dinge im Leben gibt als die Pferde?
Nach meinem Studium hatte ich mich eigentlich umgehend dafür entschieden, in dem Unternehmen meiner Eltern einzusteigen. Ich hatte Freiheiten, konnte mir meine Zeiten selbst einteilen und zugegeben, ein sehr entspanntes Leben führen. Als sich vor drei Jahren Jeanys Krankheit als unheilbar herausstellte, reduzierte sich meine Stallzeit schon etwas. Ich nabelte mich unterbewusst ab. Neben dem absoluten Tiefschlag durch Jeanys Krankheit wusste ich natürlich auch, was früher oder später für ein Pensum im Job auf mich zukommen würde und ich wusste auch, dass es für die Pferde dann wenig bis garkeine Zeit mehr geben würde.
Seit einem guten halben Jahr schaffe ich es nicht mal annähernd täglich in den Stall. Ich musste mir eingestehen, dass ich zu einem dieser Pferdebesitzer mutiert bin, über die ich früher, in meiner aktiven Zeit, nur müde Lächeln konnte. „Warum hat man Pferde, wenn man sie von anderen reiten lässt?“ „Wieso hält man sich Pferde, wenn man keine Zeit hat?!“ „Zwei Pferde und nicht mal bei einem sieht man sie regelmäßig“ – Heute betrete ich die Stallgasse mit gesenktem Blick und hoffe insgeheim, dass niemand so über mich denkt. Durch eine schwere Krankheit in meinem engsten Familienkreis hat das Schicksal bei mir ordentlich zugelangt. Die wenige Zeit, die ich ohnehin schon hatte, reduzierte sich nun um ein weiteres, ich konnte einfach keine Kraft mehr aufbringen, zusätzlich noch in den Stall zu fahren. Inzwischen bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich mir eingestehen muss: „Es geht nicht mehr.“ Ich schaffe die Pferde nicht mehr alleine. Ich weiß, dass es den einen oder anderen da draußen gibt, der in einer ähnlichen Situation steckt wie ich. Dass sich Menschen fragen, ob es die Tiere woanders nicht besser hätten, aber sich gleichzeitig nicht im Entferntesten vorstellen können, sie jemals zu verkaufen. So geht es mir. Jeany ist krank, unheilbar. Niemals würde ich es mir verzeihen können, wenn ich sie aus der Hand gebe und jemand würde sie einfach so „nutzen“ als wäre sie ein gesundes Pony. Gleichzeitig scheint es allerdings auch ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, für ein Pony mit großem Handicap eine geeignete Pflege- und Reitbeteiligung zu finden. Allerdings nur fast. Ich hatte großes Glück und habe inzwischen ganz tolle, engagierte Unterstützung bei meiner Kleinen und mir geht es dadurch schon viel besser. Das schlechte Gewissen ist zwar immer noch da, allerdings nicht mehr so allgegenwärtig.
Es war so wichtig, mir offen und ehrlich einzugestehen, dass ich es alleine nicht mehr schaffe. Auch wenn andere Leute vielleicht noch spät abends in den Stall fahren und ihre Pflicht erfüllen, ist es für mich persönlich so, dass meine Kapazitäten dafür nicht ausreichen und einfach nur „schnell schnell – fertig“ hat mein kleines Ponymädchen definitiv nicht verdient.
Ich weiß, dass eines Tages eine endgültige Entscheidung nötig wird und leider ist es mit Jeany auch nicht so einfach wie mit meiner großen Stute. Durch ihre Leichtfuttrigkeit kann ich sie nicht einfach so auf einer x- beliebigen Wiese parken oder in einem Offenstall. Sie würde sich zu Tode fressen. Deshalb hoffe ich sehr, dass wir mit unserer Superunterstützung eine langfristige Lösung gefunden haben und mir meine Sorgen somit noch lang fern bleiben können. Ich jedenfalls, bin ziemlich glücklich damit und sofern ich das einschätzen kann, ist es auch Jeany. Ich möchte daher all diejenigen von euch, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich, ermutigen, neue Wege zu gehen. Nicht alles, was einem früher falsch vorkam, muss sich heute noch falsch anfühlen. Es ist in Ordnung, dass sich Prioritäten ändern und es ist in Ordnung, in sich selbst reinzuhorchen und sich zu fragen: Kann ich das eigentlich noch leisten? Tue ich meinem Pferd damit wirklich einen Gefallen, wenn ich gegen meinen Willen aus reinem Verpflichtungsgefühl jeden Tag im Stall aufschlage?
Wie seht ihr das? Muss man sich auch in persönlichen Extremsituationen abends noch in den Stall schleppen, um dem Pferd gerecht zu werden? Es kann schließlich nichts dafür… Oder hattet ihr auch schon Phasen, in denen ihr euch eingestehen musstet, dass es alles einfach nicht mehr geht?
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