Mein Zauselchen war nicht immer das, was man so als tiefenentspannt bezeichnen würde. Genau genommen war er sogar viele Jahre das genaue Gegenteil davon, leicht hysterisch, schnell hochgefahren, nervös bis schreckhaft, mit kurzer Hemmschwelle wenn es um spontane Fluchtmanöver ging, ein Hasenfuß, der hinter jedem Stein einen Berglöwen vermutet.
Das hat sich aber in den letzten Jahren alles deutlich entspannt, er ist viel viel gelassener geworden, auf dem Hof und im täglichen Umgang ist er wirklich absolut tiefenentspannt, selbst Ausritte sind für uns total entspannte Normalität geworden.
Nur Fototermine sind irgendwie immer wieder totale Stresserlebnisse und ich weiß gar nicht so richtig, wie es dazu immer wieder kommt.
Wir sind letzte Woche mit einer Freundin zu einer Wiese geritten, um dort Fotos zu machen. Zu zweit sind wir die Strecke, die er gut kennt, vollkommen entspannt am langen Zügel geritten, haben gequatscht und das Zauselchen war so, wie ich ihn in den letzten Jahren immer kenne: vollkommen tiefenentspannt. An der Wiese angekommen mussten wir noch etwas auf den Fotografen warten, wir haben auf den Pferden gesessen und gequatscht, die Pferde haben auf der Wiese gefressen, ich habe sogar ein paar Fotos vom Pferd aus von der Freundin gemacht.
Die Zügel lagen einfach auf dem Hals und das Zauselchen hatte die Nase im Gras.
Dann tauchte der Fotograf in einiger Entfernung am Rande der Wiese auf, kam mit Hund zu uns und mischte kurz die Stimmung etwas auf, weil mein Hund, der uns auf dem Weg dahin begleitet hatte, sich sehr über den zweiten Hund freute und beide fröhlich über die Wiese rannten.
Das ist nun für den Zausel kein ungewohnte Anblick, aber es war ungefähr der Moment, wo bei ihm die Stimmung umschlug.
Für die Fotos bin ich dann ein paar mal die Wiese auf- und abgaloppiert, wobei der Zausel da schon für seine Verhältnisse echt doof wurde, er bockte (was er eigentlich wirklich nie nie nie macht) und ich hatte so meine liebe Mühe, das kernige Tier wieder durchzuparieren.
Eigentlich wäre das wohl der Moment gewesen, wo man hätte abbrechen und den Zausel erstmal wieder 3 Gang runter fahren lassen müssen, da er aber eigentlich voll entspannt ist und solche Situationen auch kennt, war ich selbst eher im „Stell dich mal nicht so an und benimm dich mal“ Modus.
Das Auf- und Abgaloppieren machte es alles nicht besser, er spuhlte sich immer mehr hoch und dann ritten auch noch zwei Pferde mit einigen Minuten Abstand an der Wiese vorbei. Dem ersten wiehrte er schon hinterher, als ich noch drauf saß, das zweite Pferde kam an der Wiese vorbei, als ich abgestiegen war, und noch ein paar Portraits machen wollte.
Als dieses Pferd am Horizont außer Sichtweite verschwand, wurde der Zausel dann entgültig ungehalten, seine Nervosität steigerte sich so, dass er keine Sekunde stillstehen konnte, nur im Kreis um mich herum rannte, ständig wiehrte und echt unangenehm im Handling wurde. Er setzte dazu an, mich anzusteigen, schlug mit dem Kopf, stampfte mit dem Vorderbein, brüllte mir ständig ins Ohr… An Fotos war nicht zu denken.
Leider werde ich selbst dann auch echt ungehalten, weil dieses plötzliche „austicken“ von mega gechilltem Gras fressen zu völlig neben der Spur sein und sämtliche Manieren vergessen einfach wahnsinnig schnell geht und natürlich hochgradig unangenehm ist, wenn man da so ein verrücktes Tier an der Hand hat.
Leider pusht er sich aber so hoch und steigert sich da so rein, dass es einfach wenig bis gar nichts gibt, was ihn beruhigt, außer viel Bewegung und am besten den gesitteten Heimweg antreten. Fotos machen dann einfach keinen Sinn, er steht eh nicht still und ich bin so genervt, dass jedes Foto dämlich aussieht.
Wir haben dann schnell dem im Kreis rennenden Pferd den Sattel wieder draufgeschnallt (für die Portraits hatte ich den runter genommen) und ich bin aufgestiegen und im Stechschritt nachhause geritten. Auf der Hälfte der Strecke wurde er dann langsam etwas entspannter, rannte nicht mehr ganz so eilig im Schritt nachhause und kam so langsam ein bisschen runter.
Mich frustrieren diese Fotoerlebnisse leider immer sehr, weil natürlich nicht so schöne Bilder entstehen können, wenn das Pferd so neben sich steht und man nur damit beschäftigt ist, es irgendwie einigermaßen im Zaum zu halten. Harmonisch ist echt anders und von romantisch sind wir weit entfernt. Dabei wären die restlichen Bedingungen perfekt gewesen…
Offenbar überfordern ihn solche Aktionen und ich muss einfach mehr für Ruhe und Gelassenheit sorgen, habe aber andererseits das Gefühl, wenn er erstmal hochgepusht ist, erreicht ihn eh kaum noch etwas und er nimmt seine Umwelt nur noch sehr wenig wahr.
Da wir im Alltag nie solche Probleme haben, weiß ich auch gar nicht so richtig, wie ich das üben sollte, ich würde beim nächsten Mal wohl versuchen, wirklich gar keinen Stress aufkommen zu lassen und auf und ab galoppieren einfach ganz zu vermeiden.
Vielleicht hat ja noch einer von euch eine Idee, wie man solche unschönen Erlebnisse vermeiden kann? Vielleicht hat ja auch jemand so einen verrückten Vogel, der manchmal aus unbekannten Gründen so einen Rappel bekommt und dann echt ungenießbar wird?