Als „Gelegenheitsreiter“ wie ich es bin, hat man jede Menge Zeit, um im Stall Eigenschaften von Pferden und Menschen zu beobachten, an alte Geschichten und Erlebnisse zu denken und sich selbst als Reiter in seinem Reiterleben zu reflektieren.
Feierabendzeit, die Straßen sind voll, das Wetter macht auch mal wieder was es will und das Pferd steht im Stall und wartet auf seinen täglichen Besuch vom Menschen. Endlich im Stall angekommen, beißt man nochmal schnell vom Apfel ab, der Rest wird dem Pferd zur Begrüßung ins Mäulchen gestopft, schnell gehalftert und ab zum Putzplatz. Am Putzplatz trifft Freundin A, die ebenfalls dauergestresste Freundin B und beide schnattern und kotzen sich über den Alltag aus. Nebenbei wird das Pferd halbherzig geputzt und zwischendurch angepflaumt, weil es in den Strick beißt, genervt die Ohren anlegt, von einer Seite zur anderen tänzelt und einfach nicht still stehen kann. Oder aber der Kandidat steht anteilnahmslos am Anbinder und man hört Sätze wie „Mein Pferd hat heut mal wieder so viel Motivation wie ein Toastbrot.“ Die Wenigsten fragen sich allerdings, woher das kommt. Häufig wird es auf den Alltagstrott geschoben. „Hat keinen Bock auf Dressurunterricht.“ oder „Er würde vermutlich lieber springen als Stunden durchs Gelände zu gondeln“ hört man dann. Dass die Pferde aber tatsächlich der Spiegel der eigenen Seele sind, ist den wenigsten bewusst.
Mir selbst ist es erst sehr spät aufgefallen. Irgendwann dann, als ich keine Ansprüche mehr an Jeany gestellt habe. Ich bin in den Stall gefahren, habe sie aus der Box geholt, sie ausgiebig geputzt und erst nach dem Putzen entschieden, was heute auf dem Plan steht. Ganz ohne Druck, ganz ohne Vorsätze. Jeany ist ein sehr sensibles Pony. Wenn meine Laune schlecht ist, ist es ihre auch. Bin ich sehr gestresst, ist sie sowas von schreckhaft, dass es weder Spaß macht mit ihr durchs Gelände zu spazieren, noch mit ihr an Bodenarbeit im Longierzirkel nachzudenken. Ihre Konzentrationsfähigkeit liegt dann einfach bei Null, das gepaart mit einem nicht vorhandenen Nervenkostüm meinerseits führt zu einer explosiven Mischung und noch mehr schlechter Laune. Häufig sah es dann zu unseren Reitzeiten so aus, wie auf meinem Titelfoto zu diesem Beitrag.
Jeder hat mal einen schlechten Tag, nicht nur die Pferde, sondern ganz besonders auch wir Menschen. Habt ihr euch mal bewusst gemacht, wie ihr auf euer Pferd einwirkt, wenn ihr gestresst seid? Wenn ihr eine schlechte Note in der Schule bekommen habt oder eine hässliche Diskussion mit eurem Chef hattet? Meiner Meinung nach bemerken die Pferde unsere Stimmung schon dann, wenn wir aus dem Auto steigen. Erst als ich mir jeden Schritt mal ganz bewusst vor Augen geführt habe und hinterher reflektierte, wurde mir bewusst, dass ich meinem Pony häufig mal Unrecht getan habe. Sie beim Reiten einmal zu viel durch die Gruselecke getrieben habe und sie am Putzplatz einmal zu viel einen vor die Brust bekommen hat, weil sie mal wieder nicht still stehen konnte und ich mich zehn Mal zu wenig gemaßregelt habe und mir gesagt habe: „Hallo, das Pony kann nichts für deinen Alltag!“
Vielleicht kennt ihr diese Eingebungen und habt ähnliches erfahren. Berichtet doch mal! Vor allem aber würde mich sehr interessieren, was ihr mit euren Pferdchen macht, wenn ihr wirklich keinen guten Tag hattet und ihr schon schlecht gelaunt im Stall ankommt? Ist es euch bewusst oder zieht ihr euer Programm normal durch?
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