Immer wenn man nicht damit rechnet und vor allem immer dann, wenn man es nicht so wahnsinnig gut gebrauchen kann, lässt sich der Zausel eine kleine Überraschung einfallen. Zu Feiertagen, bevorstehenden Urlauben, bei widrigen Wetter- und Straßenverhältnissen überkommt ihn dann so eine plötzliche Sehnsucht nach Tierärzten und Kliniken. Und obwohl ich mittlerweile weiß, dass das seine ganz besondere Spezialität ist, überrascht er mich damit tatsächlich immer wieder. Zum Beispiel mit einem Einschuss vor einem Jahr, kurz bevor ich ebenfalls im September in den Urlaub fahren wollte. Oder ein Riss in der Oberlippe, Weihnachten vor 5 Jahren. Oder dem Herzgeräusch, was dringend in der Klinik kontrolliert werden sollte, als wir in Hamburg den absoulten Ausnahmewinter hatten und kein Mensch freiwillig mit Hänger auf die Straße gefahren wäre.
Diesmal hatte ich grade noch Cathy angeboten, sie könnte ja den Zausel ein bisschen reiten, während ich im Urlaub bin, jetzt wo Emmi nicht mehr geritten wird und meine Urlaubsvertretung eh nicht dazu kommt, ihn jeden Tag zu bewegen, da reicht er auch schon einen gelben Schein ein. Schon letzte Woche hatte ich an zwei Tagen beim Anreiten das Gefühl, er liefe irgendwie nicht so ganz sauber. Allerdings war das so minimal, dass ich mir noch gar nicht sicher war, ehe er sich schon eingelaufen hatte und nichts mehr zu sehen und spüren war. Auch im Unterricht letzte Woche lief er super und es war alles in Ordnung, also hatte ich die beiden Tage als „war-wohl-doch-nichts“ und „hast-du-dir-wohl-nur-eingebildet“ abgetan.
Über das Wochenende hatte er dann ein bisschen Wellness und Wohlfühlprogramm mit seiner Reitbeteiligung, die ihn nur im Schritt bewegt und betüdelt hat.
Montag wollte ich dann um die Galoppbahn reiten und merkte schon nach zwei Trabtritten, dass er nicht sauber lief. Von oben fühlte es sich wirklich deutlich unklar an, außerdem merkte ich deutliche Nickbewegungen des Halses in der Anlehnung. Also bin ich die Runde zum Stall zurück im Schritt geritten und habe ihn abgesattelt und noch mal kurz an die Longe gehängt, um mir das Elend von unten anzusehen. Da fand ich es dann schon lange nicht mehr so eindeutig, wie es sich von oben anfühlte. Man konnte zwar mit angestrengtem Hinschauen eine Nickbewegung des Halses feststellen, eine deutliche Lahmheit war aber beim besten Willen nicht auszumachen.
So weit, so schlecht, 5 Tage bevor ich in den Urlaub fahre ist das Tier also unklar, aber nicht lahm. Was auf der einen Seite gut ist, denn er hat keine schlimmen Schmerzen und ist auch sonst munter und fidel, auf der anderen Seite aber verdächtig nach längerer Diagnostik riecht, die sich über mehrere Tierarztbesuche und Tage oder Wochen hinziehen kann. Alles in allem also sowieso unschön und kurz vor dem Urlaub auch wirklich suboptimal, weil man zum einen keine Zeit zum fröhlichen Diagnostizieren hat, zum anderen aber auch das Pferd ungern mit so einer halbgaren Lahmheit zuhause zurück lässt, um in den Urlaub zu fahren.
Nach dem ersten Frust darüber, dass der Zausel also Montag mit dem falschen Bein aufgestanden war, stellte ich mir vor allem die Frage, wie ich damit nun weiter verfahren wollte.
Option 1: Einen Tierarzt kommen lassen
Option 2: In die Klinik fahren
Option 3: Abwarten und gucken ob er noch lahmt, wenn ich aus dem Urlaub zurück bin
Option 1: Leider habe ich in den letzten Jahren eher mittelmäßige Erfahrungen mit so diffusen Lahmheiten und angereisten TÄ gemacht. Die können halt auch nicht hellsehen oder das Pferd fragen, wo es zwickt, also wird nach fühlen und drücken und beugen (es ist nichts warm, nichts dick, nichts auffällig) dann noch mal geschallt und geröngt und wenn sich da nichts findet gibt’s mal ein bisschen Entzündungshemmer und Schmerzmittel und es wird Schritt verordnet für ein paar Tage. Entweder es wird dadurch besser, oder man macht das gleiche Prozedere noch mal und ggf. noch mal und dann so lange, bis der Besitzer keine Geduld mehr hat und in die Klinik fährt. Das heißt also eigentlich: Entweder heilt es die Zeit, oder man muss doch in die Klinik.
Da mir kein TA einfiel, dem ich jetzt ganz besonderes Vertrauen entgegenbringe und einen magischen Blick zutraue, habe ich mich zunächst gegen Option 1 entschieden.
Option 2: Ich wüsste schon, zu wem ich den Zausel fahren würde, aber das ist recht aufwendig und in der Woche vor dem Urlaub schlecht zu realisieren. Für einen Notfall würde man das natürlich tun, aber diese minimale Lahmheit erscheint mir nicht dringlich genug, um sie als Notfall einzustufen. Außerdem kenne ich ja auch meinen Zausel: In fremder Umgebung ist der so aufgeregt, dass er jedes Zimperlein vergisst und wie ein junger Gott durch die Halle schwebt. Damit ist dann auch keinem geholfen und man fahrt genauso schlau wie vorher wieder nach Hause zurück. Wo er sich dann natürlich direkt an sämtliche Zimperlein erinnert…
Option 3: Da er im Moment nichts groß auszustehen hat, habe ich mich entschieden erstmal abzuwarten und gar nichts zu tun, außer nicht zu reiten. Zumindest bis Donnerstag. Bis dahin wird er natürlich täglich kontrolliert, aber eben nicht groß bewegt. Auf die Weide darf er trotzdem und am Donnertag gucke ich ihn mir noch mal im Trab an. Sollte es dann deutlich schlimmer geworden sein, kann ich immer noch Freitag in die Klinik fahren, ist es gleich geblieben kann er sich während ich im Urlaub bin noch ein wenig auskurieren und wir schauen, wie es ihm dann nach einer weiteren Woche Pause geht.
Und sollte er Donnerstag wieder einwandfrei laufen, kann ja Cathy doch noch reiten! Drückt uns mal die Daumen! Wie handhabt ihr das mit euren Pferden? Kommt da sofort der Tierarzt? Oder wartet ihr auch schon mal ein paar Tage ab, solange es den Pferden ansonsten gut geht?