Auch im dritten und letzten Teil unserer vergangenen Geschichte durchlebten wir einige Höhen, aber auch ein ziemlich herbes Tief. Was genau passierte lest ihr jetzt:
Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich empfinde Ungewissheit und vor allem ständige Geduld und Warterei als unglaublich anstrengend, nervenaufreibend und irgendwie auch deprimierend.
Während meine Stallgemeinschaft in die Winterarbeit überging, saß ich meistens in der Box von meinem Pony und fragte mich, was ich wohl falsch gemacht haben könnte. Eigentlich wollte ich doch immer nur das Beste für meine Pferde und das beinhaltete ganz sicher keine andauernden Krankheiten, ständige Boxenruhe und ewiges Antrainieren…
Mein Papa begleitete uns auf dem Weg in die Klinik. Ich packte Jeanys sieben Sachen zusammen, denn es stand ja nun ein ungewisser, längerer Klinikaufenthalt bevor. Es war noch dunkel als ich an meinem Anhänger einen Glücksbringer fand und gleichzeitig eine Nachricht einer lieben Freundin auf meinem Handy aufleuchtete „Toi, toi, toi – Ich denke an euch und der Glücksbringer passt auf Jeany auf, solang sie in der Klinik ist.“ Ich musste losheulen und mein Kopf fuhr Achterbahn. Einerseits hoffte ich, dass sie ohne schlimmen Befund blieb, andererseits wünschte ich mir nichts sehnlicher, als ENDLICH eine behandelbare Diagnose und dass ich schon bald mein gesundes, dynamisches Ponykind wieder hätte.
In der Klinik angekommen bekamen wir eine Box zugeteilt. Ich organisierte meiner kleinen Dickmadame noch etwas Heu, erkundigte mich nach dem genauen Ablauf und verabschiedete mich dann mit einem ziemlich schlechten Gefühl und einigen Tränen in den Augen.
Wir ließen den Hänger an der Klinik stehen und fuhren nach Hause. Auf dem einstündigen Rückweg sprachen wir beide kein Wort, Papa informierte nur meine Mutter über das weitere Vorgehen der Ärzte und danach schwiegen wir wieder. Meine Eltern haben nicht viel Ahnung von Pferden, aber nach all den Jahren, in denen mich beide im Stall, mit den Tieren und im Sport unterstützen, wissen sie, dass ich mein Herz an meine Pferde verloren habe und sie wissen vor allem auch, wie viel Hoffnung ich in Jeany gelegt hatte und was ich mir für unsere gemeinsame Zukunft wünschte…
Am nächsten Tag schleppte ich mein Handy auch mit aufs Klo, nur um den Anruf der Klinik nicht zu verpassen. Mir kam kaum ein Tag länger vor und kaum eine Warterei unerträglicher. Abends um halb neun kam dann der Anruf, während der Szinti ergaben sich keine Auffälligkeiten, die Beine waren in Ordnung, ebenso die Hufe. Der Doktor spritzte weitere Punkte ab, die in Frage kämen, aber alles blieb ohne Befund, sie würden weiter forschen. Der nächste Tag lief gleich ab und auch der Tag darauf war ähnlich unerträglich und ergebnislos, allerdings war ich endlich etwas mehr bei Bewusstsein und ordnete an, dass sie doch bitte das gesamte Pony szintigrafieren sollten. Mir war vorher gar nicht bewusst das man nur Teilbereiche ablichten konnten. Mittlerweile war mir auch die Endsumme egal, ich wollte doch nur mein Pony wieder und das am liebsten gesund. Am nächsten Tag bekam Jeany dann noch etwas Kontrastmittel nachgespritzt und wurde am gesamten Körper durchleuchtet. Dabei fiel eine kleine Stelle an der rechten Genickseite auf, ebenso an der Schulter. Beides aber relativ unscheinbar und hätte man andere Anhaltspunkte, wären sie an dieser Stelle auch nicht weiter auf Forschungstour gegangen. In den nachfolgenden Tagen wurde sie also weiter auf den Kopf gestellt. Die beiden Bereiche durchgeröntgt, sie wurde longiert und die Schulter abgespritzt… Bis dann an Tag 6 Abends um halb zehn mein Handy klingelte… Eigentlich laufen solche Gespräche immer wie in Filmen ab, es wird mit „Sie haben wirklich ein tolles Pony, sie hat super mitgemacht…“ angefangen und hört mit einem „…Aber…“ auf. Sie hatten bei der täglichen Arbeit an der Longe festgestellt, dass Jeany wesentlich besser im Takt lief, wenn Hals und Kopf im Vorwärts-Abwärts waren, nahm sie den Kopf hoch um zu gucken, fing das Takten wieder an, auch nachdem sie die Schulter abgespritzt hatten. Sie wurde trotzdem noch mal geröntgt und dabei fanden sie einen kleinen Punkt im Schultergelenk, der eventuell schon ausreichte, um ein mechanisches Problem auszulösen. Ebenso haben sie auch das Genick geröntgt und fanden da leider sehr unschöne, starke Veränderungen an der rechten Genickseite. Alles weitere sollte dann vor Ort besprochen werden. Der Arzt wollte noch die Zustimmung zum Anspritzen beider Punkte und verabschiedete sich dann bis zum nächsten Tag, wo wir meine Kleine dann endlich abholen durften und alles weitere erfahren sollten.
Der erste Weg am nächsten Tag ging direkt zu Jeany, welche mir nach sieben Tagen untypischerweise sehr laut entgegen wieherte. Sie hatte abgebaut und ich musste etwas schlucken als ich die rasierten Stellen am Genick und an der Schulter sah. Ich hatte am vorigen Tag leider doch nicht geträumt… In dem Gespräch erklärte mir der Arzt anhand der Bilder alles sehr genau und verständlich, das einzige was ich aber noch wirklich im Kopf habe, sind eigentlich nur noch Fetzen des abschließenden Satzes: „Wir werden sehen ob die Spritzen anschlagen… Anhaltende Belastbarkeit ungewiss… Ataxie gefährdet… Leichte Arbeit… Langer Zügel… Wahrscheinlich keine Turniere mehr wegen anhaltendem, ungleichmäßigem Gangwerk…“
Mein Papa war sehr zuversichtlich, immerhin wüssten wir nun was es ist. Ich wollte aber doch lieber eine Diagnose wie bei einem Sehnenschaden? Einige Monate Schrittführen auf hartem Boden, oder eine Weideauszeit, aber doch keinen Totalschaden ohne Aussicht auf Besserung? Womit hatte ich das verdient und womit hatte Jeany das verdient? Sie war doch erst 5 Jahre alt…
Ich packte Jeany schnell in ihr Transportoutfit und ging mit ihr zum Parkplatz. Ungebremst stiefelte sie auf den Anhänger und machte mir unmissverständlich klar, dass sie jetzt ziemlich schnell nach Hause wollte. Wie in Trance telefonierte ich alle ab, die über den Ausgang benachrichtigt werden wollten und dann begann eine Stille in meinem Kopf, die in gewissem Maße bis heute anhält.
Ein Tier zu besitzen erfordert vollste Verantwortung, man entscheidet für es, mit bestem Wissen und Gewissen und stellt in den meisten Fällen seinen eigenen Anspruch zurück, jedenfalls handhabe ich das so. Niemals würde ich dieses Pony weggeben, nur weil es meinen Ansprüchen nicht mehr entspricht, besser gesagt nicht entsprechen kann. Der Arzt sagte mir in unserem Gespräch quasi, dass der Traum vom erfolgreichen Dressurpony geplatzt ist. Ich war tottraurig, weinte Tag und Nacht und konnte nicht wirklich begreifen, mit welcher Ungerechtigkeit das Schicksal seine Wege wählt. Es lag nun an mir, das Beste aus der wirklich schlechten Ausgangslage zu machen und meinem Blondinchen, mit ihrem mechanischen Problem, einen angemessenen Trainingsplan zusammenzubauen. Ich wartete die zehn Tage geduldig, ging fleißig spazieren und stieg am 15. Tag nach der Spritze das erste Mal auf. Sie lief sich ein, die ersten Minuten waren schlecht und dann wurde es immer besser und „tragbar“.
So schlugen wir uns durch den Winter und hofften, dass es in der wärmeren Jahreszeit besser werden würde. Ich kaufte Zusatzfutter, was die Gelenke unterstützte und ging so viel Schritt wie möglich vor dem Reiten oder dem Longieren. Ich arrangierte mich und erinnerte mich an meine Leidenschaft fürs Ausreiten zurück und durchstreifte im Schritt das Gelände.
Es wurde wärmer und Jeany ging es zusehend besser. Für ungeübte Augen war Jeanys Ungleichmäßigkeit im Gang nicht mehr zu erkennen und ich fing an sie für kurze Reprisen aufzunehmen und in Anlehnung zu reiten. Wir hatten beide unheimlich Spaß, waren wir doch eingefleischte „Dressurler“. Ich steigerte das Training und folgte ganz meinem Bauchgefühl. An schlechten Tagen ritt ich Schritt und Trab am langen Zügel, machte Bodenarbeit oder longierte, an besseren machte ich so viel sie zu ließ…
Auch die Weidezeit ging wieder los und ich entschied mich wie im Jahr zuvor sie so lang wie möglich draußen zu lassen. Durch häufigere Pausen und den vielen Ritten auf Sparflamme wurde Jeany natürlich wieder extrem dick, nicht selten hörte ich mir Sprüche über ihre Figur an, aber auch das war mir egal. Viel Bewegung brauchte sie nun und ich merkte ihr an wie gut ihr die Wiese tat.
Inzwischen habe ich mich mit Jeanys Diagnose abgefunden, ich danke meinen engsten Freunden und Eltern von Herzen, dass sie mir in dieser unglaublich schweren Zeit so viel Kraft gegeben haben und auch immer noch geben, alleine für sie werde ich die Hoffnung, dass Jeany und ich weiterhin ein Team bilden und auch reiterlich Fortschritte machen, niemals aufgeben. Es wird vermutlich alles länger dauern und jede Menge Geduld erfordern, aber mir ist in den letzten Monaten sehr bewusst geworden, wie oberflächlich die Reiterei eigentlich ist, es ist alles sehr leistungsorientiert und vieles steht und fällt mit Erfolgen. All das war mir plötzlich nicht mehr wichtig, als ich mir bewusst gemacht habe, was für ein unglaubliches Glück mich getroffen hat, dass ich überhaupt zwei Pferde besitzen darf. Ganz egal, ob gesund oder unheilbar krank, es sind eben einfach Pferde, majestätisch und voller Kraft, sensibel und hochintelligent, sie wurden nicht geboren um mich wie ein Clown in der Manege zu unterhalten, sie sollen einfach leben und ich bemühe mich stets, ihnen das Leben so schön wie möglich zu machen. Wenn Jeany eines Tages nicht mehr reitbar sein sollte, dann ist das unser Schicksal und ihr wird es sicher auch als Pferd ohne Reiter sehr gut gehen.
Aber nun schauen wir nach vorne und warten geduldig was uns die Zukunft so bringt, ihr dürft natürlich dabei sein, wenn ihr wollt!