„Mein absoluter Traum wäre ein Fohlen aus meiner eigenen Stute“ – Wer von euch hat dies auch schon mal gedacht oder gesagt? Viele Reiter kaufen sich gerade deshalb eine Stute, um die Möglichkeit zu haben, später mal ein Fohlen zu ziehen. Ich möchte in diesem Artikel all diejenigen ansprechen, die sich ernsthaft mit diesem Gedanken beschäftigen, denn bei diesem Unterfangen gibt es einige Dinge zu bedenken und zu beachten.
Da ich selbst aus einer kleinen Züchterfamilie stamme, bin ich damit groß geworden, dass in jedem Frühjahr ca. zwei bis vier, manchmal auch fünf Fohlen geboren wurden und möchte meine Erfahrungen gerne teilen. Zufälligerweise beschäftige ich mich selbst gerade mit der Hengstauswahl für meine Stute, die wegen eines Unfalls leider nicht mehr reitbar ist.
„Nicht mehr reitbar“ – eigentlich schon ein gutes Stichwort. Jeder Reiter möchte ein gesundes und „haltbares“ Pferd, es soll belastbar über viele Jahre hinweg sein und unter Umständen auch höheren Anforderungen gewachsen sein. Wichtig ist es daher, dass man keine Stuten zur Zucht einsetzt, die selbst eher „weich“ sind und zum Beispiel wegen wiederkehrender gesundheitlicher Probleme nicht sporttauglich sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Krankheiten, die durch Unfälle o.ä. entstanden sind (z.B. ein Knochenbruch, der zwar gut verheilt ist, aber keiner größeren sportlichen Belastung standhalten kann) und Krankheiten, die ohne außerordentliche Beanspruchung entstanden sind. Bestes Beispiel hierfür sind Sehnenschäden – früher wurden nur Stuten zur Zucht eingesetzt, die sich vor Pflug und Wagen bewährt hatten, die also gesund und kräftig waren. Heutzutage ist es immer öfter der Fall, dass Stuten, die dem Sport nicht standhalten, in die Zucht gehen. Eine Tatsache, die meiner Meinung nach mit dem Ziel widerstandsfähige Sportpferde zu züchten schlecht vereinbar ist.
Wer aber eine gesunde Stute hat, kann schon einen Schritt weiter gehen! Wichtig ist, sich zunächst zu überlegen, was mit dem Fohlen passieren soll. Ist es für den Eigenbedarf und soll die Stute somit nur dieses eine Fohlen bekommen? Soll die Stute eine Pause haben, sei es weil der Besitzer ein Jahr im Ausland ist, selbst schwanger ist oder oder oder? Soll die Stute gänzlich zur Zuchtstute werden?
Wenn diese ganzen Punkte gegeben sind und eure Stute fit ist für eine Trächtigkeit, kann’s fast schon losgehen – fehlt nur noch der passende Hengst! „Passend“ – bedeutet, der Hengst soll nach Möglichkeit die Schwächen der Stute verbessern, die Stärken aber nicht vermindern. Dabei sollte man darauf achten, dass man nicht zwei Extreme miteinander vermischt. Man sollte also eine dressurtalentierte Stute, von der man sich ein Fohlen wünscht, dass auch ein gewisses Springtalent mitbringt, eher mit einem Hengst anpaaren, der sowohl einen guten Dressur- als auch einen guten Springindex hat, als mit einem reinen Springhengst. Meistens empfiehlt es sich, wenn man Beratung in Anspruch nimmt. In Frage kommen hierfür Zuchtverbände oder erfahrene Züchter. Diese können in der Regel die Qualität der Stute gut einschätzen und kennen sich meistens auch schon mit der Abstammung aus und wissen „welches Blut“ gut dazu passt. All diese Erfahrung, die diese Leute über viele Jahre hinweg gesammelt haben, ist auf keinen Fall von der Hand zu weisen und stellt eine große Hilfe bei der Entscheidung dar.
Bevor man Zuchtverbände, Berater oder Züchter kontaktiert, Hengstkataloge wälzt und sich Hengste anschaut, sollte man sich zunächst genau überlegen, welche Mängel die eigene Stute hat, also was der Hengst verbessern soll und welches Zuchtziel man erreichen möchte, damit man nicht von der schier unendlichen Auswahl übermannt wird.
Aufschlussreich kann es außerdem sein, sich die Hengste, die man bereits in der engeren Auswahl hat, live anzuschauen. Dazu bieten sich zum einen Hengstpräsentationen an, manchmal kann man sich die Hengste auch im Training ansehen. So bekommt man die Möglichkeit nochmal andere, persönliche Eindrücke zu sammeln, wie die Hengste sich in der Arbeit bzw. in der Öffentlichkeit präsentieren. Auf Fohlenschauen kann man sich außerdem Nachkommen von verschiedenen Hengsten anschauen und sich ein Urteil darüber machen, wie sie sich vererben, welche Eigenschaften der Mutter verbessert wurden usw. Hierbei muss man aber berücksichtigen, dass längst nicht alle Fohlen präsentiert werden.
Sofern das Fohlen nicht verkauft werden soll, sondern für den Eigenbedarf ist, kann man völlig unbefangen an die Hengstauswahl herangehen. Möchte man das Fohlen aber verkaufen, sollte man in Betracht ziehen, dass bestimmte Hengste oder Linien attraktiver auf Käufer wirken als eher unbekannte, nicht so populäre Vererber.
Darüber hinaus sind die Kosten, die eine Trächtigkeit mit sich bringt, auf keinen Fall zu vernachlässigen.
Neben den laufenden Kosten für die Stute wie Schmied, Impfen, Wurmkuren, Versicherung und Boxen- bzw. Weidemiete (sofern man nicht über einen eigenen Stall verfügt), kommt nämlich noch ein Haufen zusätzlicher Kosten hinzu.
Decktaxen für die Hengste beginnen bei den Warmbluthengsten bei ca. 500 Euro, nach oben hin ist die Grenze eher fern. Hengste, die bereits über einige gute Nachkommen verfügen, werden meistens um die 1000 Euro gehandelt. Wird die Stute mit Frischsamen besamt, muss man außerdem noch den Samenversand bezahlen (ca. 30 Euro) oder den Samen selbst abholen. Neben Besamung besteht noch die Möglichkeit, die Stute per Natursprung decken zu lassen. In der Warmblutzucht wird der Natursprung kaum noch praktiziert. Dieser bringt für die Stute, aber auch für den Hengst ein paar Risiken mit sich: Der Hengst kann durch Tritte der Stute beim Aufsprung verletzt werden, die Stute könnte durch die Hufe oder ggf. den Nackenbiss verletzt werden. Aus eigener Erfahrung kann ich aber berichten, dass ich bisher noch keine dieser Verletzungen mitbekommen habe. Bei uns hat sich aber mittlerweile die Besamung bewährt. Die Stute muss dafür meistens nicht zur Deckstelle gefahren werden, sondern kann Zuhause besamt werden. Da die Trächtigkeitsrate beim Natursprung höher ist, ist dieser eher für Stuten geeignet, die schwer tragend werden. Bei der künstlichen Besamung wird außerdem vermieden, dass ansteckende Krankheiten übertragen werden (z.B. ansteckende Gebärmutterentzündung). Übrigens: In der Vollblutzucht ist die künstliche Besamung verboten – man möchte verhindern, dass einzelne Hengste durch künstliche Besamung unverhältnismäßig viele Nachkommen zeugen.
Für Tupferprobe und Besamung durch den Tierarzt sollten insgesamt ca. 80-100 Euro kalkuliert werden. Danach folgen Follikelkontrolle und Ultraschalluntersuchungen, um festzustellen, ob die Stute „aufgenommen“ hat. Man untersucht in der Regel ab dem 15./16. Tag nach der Besamung, manchmal muss die Untersuchung auch mehrmals durchgeführt werden, da die Trächtigkeit in manchen Fällen erst um den 20. Tag herum festgestellt werden kann. Um die Trächtigkeit bestätigen zu lassen, sollte die Stute zwischen dem 30. und 40. Tag ein weiteres Mal untersucht werden. Diese Posten schlagen mit ca. 130 Euro zu buche.
Viele von euch werden in der letzten Zeit außerdem vom Herpes-Virus gehört haben. In den meisten Fällen handelte es sich hierbei um den EHV-4 Virus. Bei Stuten kann neben dem EHV-4 Virus auch der EHV-1 Virus zum Abort führen. Um den Virusabort zu verhindern, sollte die Stute vor der Trächtigkeit grundimmunisiert sein und im 5., 7. und 9. Trächtigkeitsmonat geimpft werden. Die Kosten hierfür sind ca. 120 Euro.
Nicht zu vergessen ist außerdem, dass die Stute in ein Stutbuch aufgenommen werden muss, damit das Fohlen volle Papiere und somit auch den Brand bekommt. Dafür ist es nötig, dass die Stute in einem Zuchtverband eingetragen ist, für den der ausgewählte Hengst auch zugelassen bzw. anerkannt ist. Hat man z.B. eine Hannoveranerstute, ist es naheliegend diese im hannoverschen Stutbuch eintragen zu lassen. Der ausgewählte Hengst muss dann aber auch für die Hannoveranerzucht zugelassen sein. Die Eintragung der Stute kostet bis zu 150 Euro, das Ausstellen des Pferdepasses inkl. Abstammungsnachweis für das Fohlen nochmal etwa 100 Euro
Bevor das Fohlen überhaupt geboren ist, fallen also schon Kosten in Höhe von etwa 1700 Euro an.
Neben den Kosten müssen sich Zuchtneulinge unter Umständen damit beschäftigen, die Haltung zu ändern. Wer bisher ein Sportpferd hatte, steht in den meisten Fällen auch in einem Sportstall. Meistens gibt es hier nicht die Möglichkeit, so zu halten wie es für eine Zuchtstute optimal ist. In der Regel ist eine (erstgebährende) Stute bei zuchterfahrenen Menschen am besten aufgehoben, sie kann im besten Fall den Sommer in einer Stutenherde auf der Weide verbringen und wird im Winter vor der Geburt entsprechend mit Zusatzfutter versorgt. Spätestens zur Geburt sollte die Stute dann aber in einen Zuchtstall umziehen, damit man die Geburt optimal vorbereiten und überwachen kann. In Ställen, in denen man auf Fohlengeburten spezialisiert ist, gibt es in der Regel gut durchdachte Systeme, damit die Stute nicht allein fohlen muss, z.B. Geburtsmelder (Birth-Alarm) und Videoüberwachung.
Wer sich dafür entscheidet, ein Fohlen aus der eigenen Stute zu ziehen und sich somit einen womöglich lang gehegten Traum zu erfüllt, sollte sich definitiv sicher sein, dass weder die Risiken (Resorption des Embryos, Aborte, problematische Geburten) noch die Kosten zu verkennen sind. Als Zucht-Neuling ist es darüber hinaus sehr ratsam sich einen erfahrenen Züchter zu suchen, der einem zur Seite steht, bei dem man die Stute vielleicht sogar auch untergebracht hat, und der einen unterstützt und bei Fragen und Sorgen weiterhelfen kann. Wer sich final für das Fohlen aus der eigenen Stute entschieden hat, dem können wir versichern, dass es etwas tolles ist, das eigene Fohlen aufwachsen zu sehen!
Einen guten Leitfaden für Züchter bietet u.a. der Hannoveraner Verband. Ähnliche Broschüren findet man aber von nahezu jedem Verband, wenn man ein wenig recherchiert.
Habt ihr Fragen zu diesem Thema oder spielen einige von euch vielleicht selbst gerade mit dem Gedanken, eure Stute decken zu lassen? Wenn Interesse daran besteht, bin ich gerne bereit eine Fortsetzung zum Thema „Das Fohlen ist da, was muss alles bedacht werden?“ zu schreiben.