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Hallo Zausel, wie geht es dir?

Hallo Zausel, wie geht es dir? – Das ist im Moment jeden Tag die Frage, die ich dem Zausel als allererstes stelle, wenn ich ihn begrüße. Da er mir bisher eine Antwort schuldig geblieben ist, versuche ich zu ergründen, wie es ihm gehen könnte, in dem ich ihn sehr genau beobachte, seinem Gesicht den aktuellen Gemütszustand versuche abzulesen, jegliches Zeichen und jede seiner Regungen versuche in irgendeiner Form zu deuten.

Hat er heute einen guten Tag? Oder guckt er schon missmutig und irgendwie traurig, dann ist es bestimmt ein schlechter Tag. Oder guckt er vielleicht grade nur so, weil ihm einer seiner Mitbewohner zu nah gekommen ist und er die Möhrchen, die er von mir erwartet, nicht teilen möchte? Oder liegts am Schneeregen, der ihm grade auf die Nerven geht?

Auf jeden Fall glaube ich fest daran, dass man dem Pferd viel von seiner aktuellen Stimmung im Gesicht ablesen kann und man als Reiter bei allen Dingen, die man so tut, ruhig immer mal wieder die Frage stellen sollte, ob es dem Partner Pferd grade gut geht mit dem, was man von ihm verlangt oder mit den Bedingungen, die man ihm bietet eigentlich wirklich zufrieden ist. Auch wenn sie uns nicht direkt Antworten können, ist es eine wichtige Frage, die wir unserem Pferd durchaus stellen sollten, wenn wir es begrüßen. Man muss sie ja nicht unbedingt laut aussprechen, wenn man im Stall nicht für die schrullige Tante gehalten werden möchte, die immer mit ihrem Pferd sabbelt.

Im Moment glaube ich aber, dass ich mir diese Frage ein bisschen zu oft stelle. Ich versuche wirklich aus jeder Regung abzulesen, wie es dem Zausel grade geht und ob es vielleicht irgendwelche Anzeichen gibt, die auf eine erhoffte Besserung oder schlimmeren Falls sogar eine Verschlechterung hindeuten. Hinzu kommt noch das Umfeld, dass mich jeden Tag fragt „Und, wie geht’s dem Zausel heute? Schon besser?“. Ich freue mich über so viel Anteilnahme und Interesse am alten Patienten, aber ehrlich gesagt weiß ich grade selbst nicht so genau wie es ihm geht. Und dann fange ich an, Sachen über zu interpretieren, mir den Kopf zu zerbrechen bis es mich belastet und anstrengt immer wieder zu fragen „Zausel wie geht’s dir heute?“. Bis ich genervt bin von seiner trüben Stimmung und seinem Rumgekränkel und ihm sagen will „Stell dich nicht so an du alter Esel, ich tue hier mein Möglichstes, damit es dir gut geht, reiß dich doch mal ein bisschen zusammen.“ nur um mich dann wieder mit einem schlechten Gewissen herumzuplagen, dass ich ihm damit unrecht tue und er mit Sicherheit gern besser drauf wäre, als er es im Moment ist, aber sich eben aus welchem Grund auch immer einfach nicht gut fühlt.

Es ist nicht so, dass es ihm richtig schlecht geht. Er ist im Paddock unauffällig, normal, teilweise sogar ausgesprochen lustig und fröhlich und albert so mit seinen Mitbewohnern rum, dass er sich ein Eisen abtritt. Lasse ich ihn in der Halle laufen, schlurft er erst unmotiviert los, braucht mehrere nachdrückliche Aufforderungen, um mal aus dem Quark zu kommen, nur um dann plötzlich loszubocken und dann doch ganz fleißig seine Runden zu drehen. Das hält zwar nicht wahnsinnig lange an, aber eben immerhin ein paar Runden. Das letzte Mal als ich aber geritten bin, fühlte er sich sehr matt und steif an und war sehr unmotiviert. Und letzte Wochen waren wir im Schritt einen kleinen Spaziergang machen, da musste ich ihn regelrecht hinter mir herziehen und er machte ein Gesicht das wirklich „Kein Bock“ mit 5 Ausrufezeichen schrie. Die Ohren nach hinten geklappt, der Hals langgezogen, die Nüstern mürrisch nach oben gezogen. Und das bei einer kleinen Runde Schritt ins Gelände, an der Hand. Kann man dazu als Pferd einfach wirklich null Bock haben oder ist das doch ein Zeichen dafür, dass es ihm nicht gut geht?

Wie viel schlechte Laune darf ein Pferd eigentlich haben? Und wie viel Rücksicht muss ich auf die Launen meines Pferdes nehnem? Gibt es eigentlich Depressionen beim Pferd? Und ist es richtig, ihn mit seiner Bocklosigkeit auf dem Paddock in Ruhe zu lassen oder ist es wichtig, ihn täglich zumindest ein bisschen zu fordern, wenigstens kleine Ausflüge im Schritt zu unternehmen, wenigstens ab und an ein bisschen in der Halle zu joggen, wenigstens ab und an mal den Kreislauf in Wallung zu bringen? Oder wäre er sogar besser dran, wenn ich ihn mehr körperlich fördern würde um den Trainingsstand zu erhalten, die Muskulatur nicht ganz zu verlieren, weil sich ein fitter, trainierter Körper besser regenerieren kann?

Ihr habt hier und auf Facebook und Instagram nach meinem letzten Blogpost zum Zausel ganz viele tolle Nachrichten geschickt und mir wahnsinnig viele Anregungen zukommen lassen. Außerdem hat natürlich auch mein direktes Umfeld Vorschläge und Ideen, Dinge, die bei dem eigenen Pferd geholfen haben und Krankheiten, die das Pferd von einer Freundin der Reitbeteilung hatte und auf die kein Tierarzt gekommen ist. Das sind teilweise Vorschläge, die wir schon probiert haben, teilweise Dinge, die wir vor Jahren mal haben testen lassen, die jetzt aber nicht mehr zutreffen müssen, teilweise Krankheiten oder Behandlungsalternativen, von denen ich noch nie was gehört habe.
Und damit wiederum viel Gedankenfutter, über das man sich den Kopf zerbrechen kann.
Welche eurer Anregungen kann ich für den Zausel ausschließen, welche könnten ein interessanter Ansatz sein, welche sollte man probieren, untersuchen lassen, im Hinterkopf behalten?
Möchte ich mein Pferd mal wieder von Kopf bis Fuß untersuchen lassen? Alles testen was einem einfällt? Auch, wenn wir das schon mehrfach durch hatten und nie eine eindeutige Diagnose bekommen haben? Oder gibt es doch noch eine alternative Heilmethoden, die wir nicht probiert haben?
Die Möglichkeiten sind ja schier unendlich und jeder hat so seine eigenen Wunderheiler, die den Durchbruch erbracht haben. Und das Mittelchen, was alles verändert hat.

Mein Problem an der Sache: Ich möchte unheimlich gern, dass es dem Zausel wieder besser geht. Egal wie. Ich bin Wunderheilern gar nicht mal abgeneigt, Zusatzmittelchen auch nicht, Hauptsache es hilft. Ich möchte dem Zausel keine Chance verwehren, wieder fitter zu werden. Und ich bin sehr ungeduldig. Es soll ihm schnell wieder besser gehen. Auch, weil ich gern wieder reiten würde, vor allem aber, weil mich sein aktueller Zustand betrübt, jedes mal wenn ich ihm Stall bin. Wer hat schon gern ein kränkliches Pferd?
Ich bin also wahnsinnig anfällig für all die Anregungen und Vorschläge, die mich erreicht haben. Und zusätzlich google ich mir die Finger wund, was es noch geben könnte.
Ich bin geneigt, alle Anregungen und Vorschläge in die Tat umzusetzen, alle Mittelchen, die empfohlen werden, sofort zu kaufen und zu verfüttern, frei nach dem Motto viel hilft viel und irgendwas schlägt ja vielleicht an. Außerdem sollte man vielleicht doch eine Haaranalyse machen? Und den Wunderheiler kommen lassen, der mittels Handauflegen und Energie alles wieder ins Lot bringt.

Ich weiß aber auch, dass das nicht sinnvoll ist. Dass man nicht alles gleichzeitig angehen kann. Dass manche Dinge einfach Zeit brauchen. Dass der Körper sich manchmal sogar besser selber heilen kann, wenn man ihn nicht noch mit 25 Mittelchen belastet, sondern ihm einfach Ruhe und Geduld entgegen bringt. Und ich weiß, dass es dem Zausel nicht schlecht geht. Es geht ihm nur nicht so gut, aber das ist kein Zustand, in dem man jetzt wie wildgeworden alles auf den Kopf stellen muss, was bisher gut funktioniert hat.

Für den Moment habe ich also beschlossen, einfach mal wieder „Ommm“ zu sagen. Uns auf Dinge zurück zu besinnen, die sonst gut funktioniert haben. Den alten Zustand wieder herzustellen.
Das Stroh haben wir aus dem Stall verbannt. Unsere Stute bekommt es im Moment separat zusätzlich gefüttert, der Zausel wird strikt davon fern gehalten. Er bekommt Zink zu gefüttert, weil das im Blutbild etwas zu niedrig war, außerdem weiterhin ein Präparat mit Vitamin E und Selen, weil ihm das für seine Muskulatur einfach gut tut. Vielleicht hilft es auch der im Moment evtl. etwas angestrengten Atemmuskulatur, sich wieder zu entspannen. Außerdem bekommt er jetzt eine Flasche Hämolythan (Spurenelementkonzentrat mit Eisen) , weil auch das ihm in der Vergangenheit schon geholfen hat, nach einer schlechten Phase wieder auf den Damm zu kommen. Für die Lunge gibt es aktuell jeden Tag einen Hustentee über das Futter und ich habe einen Eimer Plantagines +C bestellt. Außerdem bekommt er zur Zeit noch seine chinesischen Kräuter, die für ihn immer nach der Akupunkturbehandlung zusammen gestellt werden.

Das ist schon eine ganze Menge und mehr wäre einfach zu viel. Jetzt heißt es erstmal weiter abwarten, die ein oder andere Tasse Tee trinken und den Zausel einfach weiterhin jeden Tag fragen, wie es ihm geht. In ein paar Wochen sagt er dann hoffentlich einfach wieder „Super, lass uns etwas unternehmen!“ Vielleicht, weil einfach das Stroh der Übeltäter war. Vielleicht, weil die Mittelchen dann ihre Wirkung entfaltet haben. Vielleicht, weil dann der Frühling nicht mehr weit ist. Vielleicht, weil dann die Tage schon länger sind. Vielleicht auch, weil er die Pause einfach brauchte. Hauptsache, er fühlt sich bald wieder besser.

 

 

 

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